Disney+-Serie „Beth und das Leben“: Schumers Neuerfindung
Comedienne Amy Schumer zeigt sich in „Beth und das Leben“ von einer anderen Seite als bisher. Dabei stellt sie die ganz großen Fragen.
Gute sieben Jahre ist es her, dass Amy Schumer zum neuen Superstar der US-amerikanischen Comedy-Welt wurde. Im Kabelfernsehen lief ihre Sketch-Show „Inside Amy Schumer“, im Kino der von ihr als Hauptdarstellerin und Drehbuchautorin verantwortete Film „Dating Queen“ und bei HBO das Emmy- und Gramm-nominierte Stand-up-Programm „Amy Schumer: Live at the Apollo“. 2016 wurde sie dank des humorvoll-autobiografischen Buchs „The Girl With the Lower Back Tattoo“ auch noch zur Bestsellerautorin.
Sieben Jahre allerdings sind eine lange Zeit, zumal wenn es um Humor geht. Und so dürfte es kaum jemanden verwundert haben, dass Schumer in den vergangenen Jahren eher mit Privatangelegenheiten (Hochzeit mit einem Koch, Geburt des ersten Kindes) sowie deren medialer Auswertung (eine Quarantäne-Kochsendung in den Corona-Anfangstagen sowie einer Dokuserie über ihre Problemschwangerschaft) beschäftigt war als mit neuen Gags. Nicht zuletzt, weil die Schumer’sche Comedy, die zu weiten Teilen von Vulgarität und einem nicht selten problematischen Feminismus für weiße cis Frauen lebte, vom Zeitgeist schnell abgehängt wurde.
Wenn sich Schumer nun mit „Beth & das Leben“, ihrer ersten eigenen Serie, zurückmeldet, ist das also Comeback- und Neuerfindungsversuch gleichermaßen – und funktioniert erstaunlich gut. Schumers Titelheldin arbeitet im Vertrieb und dreht Restaurants mittelmäßigen Wein an, außerdem hat sie ein schickes Apartment in Manhattan und einen zum Lebensgefährten gewordenen Kollegen, der eigentlich nicht der Richtige ist. Das dieses Leben bei Licht betrachtet kein bisschen so perfekt ist, wie es an der Oberfläche erscheint, ahnt Beth selbst. Doch wirklich bewusst wird es ihr erst, als ein Familiennotfall sie zurück nach Long Island bringt, wo ihre Schwester (Susannah Flood) und viele mühsam unterdrückte Traumata auf sie warten, aber schließlich auch ein womöglich autistischer Bio-Bauer (Michael Cera) ihr Interesse weckt.
Voller autobiografischer Elemente
Frauen, die vermeintlich – und im konventionell-patriarchalen Sinne – ihr Leben noch nicht oder angesichts einer Krise nicht mehr im Griff haben und deswegen auf Außenstehende verpeilt, kompliziert oder einfach nur schräg wirken, sind im Comedy-Bereich in letzter Zeit keine Seltenheit. Der Erfolg von „Fleabag“ machte aus dem Phänomen einen echten Trend, seither folgten, um nur einige zu nennen, „Feel Good“, „Work in Progress“, „Starstruck“ oder „Somebody Somewhere“. Ähnlich wie die Schöpferinnen dieser Serien verarbeitet auch Schumer autobiografische Elemente: sie stammt selbst aus Long Island und hatte einen Alkoholiker-Vater, während Ceras Figur an ihrem Ehemann angelehnt ist.
Gut möglich, dass der Hype solcher sogenannten Sadcoms sich schon wieder dem Ende zuneigt (bei Netflix jedenfalls will man keine mehr, wie gerade aus einem internen Strategiepapier hervorging), doch Schumer tut der Richtungswechsel hin zur Melancholie und Bitterkeit ohne Frage gut. Der Humor, mit dem sie zum Star wurde, ist zwar nicht komplett verschwunden, und in „Beth und das Leben“ sitzt definitiv nicht jeder Gag. Doch die Introspektion und Ernsthaftigkeit, die sowohl Beth als auch Schauspielerin Amy Schumer für sich zu entdecken beginnen, geben der nicht unbedingt aufregenden oder neuen Geschichte von der Rückkehr nach Hause vor allem in der zweiten, überzeugenderen Serienhälfte angenehme Bodenhaftung und einige Momente der Tiefe. Und nicht zuletzt die Rückblenden, mit Schauspielerin Violet Young als junger Beth, sind richtig gelungen.
Ob der Komikerin, die bei einigen der zehn Folgen übrigens auch selbst Regie geführt hat, nun tatsächlich die Rückkehr in alte Erfolgshöhen gelingt, bleibt abzuwarten. Die Reaktionen jüngst auf ihren selten lustigen Auftritt als eine von drei Moderatorinnen bei der Oscar-Verleihung lassen vermuten, dass der Weg noch ein weiter für sie sein könnte. Aber eine zweite Staffel von „Beth und das Leben“ ist zumindest schon bestellt – und das ist auf jeden Fall eine für alle erfreuliche Nachricht.
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