Diskussion wegen Neonazi-Terror: Ein Geheimdienst ist keine Polizei

Nach dem NS darf in Deutschland keine Sicherheitsbehörde mit zu viel Macht entstehen. Polizei und Geheimdienste dürfen aber zusammen arbeiten - und tun dies auch.

Dürfen nicht fusionieren, aber schon ein bisschen kuscheln: Der Chef vom Bundesverfassungsschutz, Heinz Fromm, und vom BKA, Jörg Ziercke. Bild: reuters

FREIBURG taz | In den meisten europäischen Staaten arbeiten Polizei und Geheimdienste eng zusammen, insbesondere wenn es um Terrorismus geht. In Deutschland ist das dagegen ein heikles Thema. Als Lehre aus dem Faschismus soll es hier nie wieder eine Behörde mit der Machtfülle der Geheimen Staatspolizei geben.

Als der Parlamentarische Rat 1949 das Grundgesetz beriet, schalteten sich die Alliierten mit ihrem sogenannten Polizeibrief ein und forderten, das neu geplante Bundesamt für Verfassungsschutz "soll keine Polizeibefugnisse haben". Es solle nur Informationen sammeln, aber weder Räume durchsuchen noch Personen festnehmen dürfen.

Der Polizeibrief selbst gilt spätestens seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Allerdings ist der Grundgedanke auch ins Grundgesetz eingeflossen. Artikel 87 sieht unterschiedliche Zentralstellen des Bundes für die Kriminalpolizei und den Verfassungsschutz vor. Das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz dürften also nicht zu einer neuen Super-Sicherheitsbehörde fusioniert werden.

Keine "gezielte Erlangung von Zufallsfunden"

Ob dem Grundgesetz über das Fusionsverbot hinaus ein Trennungsgebot für Polizei und Geheimdienste entnommen werden kann, ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat dies schon mehrfach diskutiert, zuletzt Ende 2010 in einer Entscheidung zum Ankauf von Steuersünder-CDs durch den Bundesnachrichtendienst. Ein mögliches Trennungsgebot würde dann besagen, dass Geheimdienste "keine Vernehmungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen durchführen und anderen Zwang ausüben dürfen".

Geheimdienste dürften also "nicht zur gezielten Erlangung von Zufallsfunden" für polizeiliche oder finanzamtliche Zwecke eingesetzt werden. Ob es eine derartige verfassungsrechtliche Grenze für den Gesetzgeber gibt, haben die Richter bisher aber stets offengelassen, weil es für die Entscheidung des Falles nicht darauf ankam.

Alle weiteren Fragen sind jedenfalls politisch zu entscheiden. So kann der Gesetzgeber verlangen, dass Polizei und Geheimdienste im Rahmen ihrer Befugnisse zusammenarbeiten und ihre Informationen austauschen. Auch gemeinsame Einrichtungen wie die Anti-Terror-Datei oder das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum verstoßen wohl nicht gegen ein mögliches verfassungsrechtliches Trennungsgebot.

Neue Erkenntnisse zur Position des Bundesverfassungsgerichts wird es vermutlich aber schon nächstes Jahr geben. Dann wird über eine Verfassungsbeschwerde gegen die Anti-Terror-Datei entschieden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.