Diskussion um „sichere Herkunftsstaaten“: Union und SPD mahnen Grüne

Das Grundrecht auf Asyl bleibe bestehen, erklärt SPD-Chef Gabriel. Grüne kritisieren die Verschärfung des Asylrechts. Am Freitag stimmt der Bundesrat ab.

Mann mit langen blonden Haaren am Mikrophon, es ist der Grünen-Vorsitzende Toni Hofreiter

„Die große Mehrheit unserer Länder wird dem nicht zustimmen“, sagte Toni Hofreiter Foto: dpa

BERLIN rtr | Union und SPD machen Druck auf die Grünen, im Bundesrat der Einstufung von Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten zuzustimmen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, er hoffe, dass die Länderkammer das Gesetz am kommenden Freitag billigen werde. Eine mögliche Blockade der Grünen könne er nicht nachvollziehen. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) forderte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, der Verschärfung zuzustimmen und sich an eine entsprechende Vereinbarung in den Koalitionsverhandlungen zu halten. Führende Grünen-Politiker geben dem Vorhaben dagegen keine Chancen.

Union und SPD sind bei der Abstimmung im Bundesrat auf die Stimmen von mindestens drei der zehn Länder angewiesen, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem Bayerischen Rundfunk: „Im Moment deutet alles darauf hin, dass die große Mehrheit unserer Länder dem nicht zustimmen wird.“ Ähnliche Äußerungen sind in diesen Tagen auch von anderen Grünen in Bund und Ländern zu hören. Die Partei führt an, dass es in den drei Maghreb-Staaten weiter Menschenrechtsverletzungen gibt, die auch die Regierung nicht bestritten hat.

Einem Urteil des Verfassungsgerichts zufolge dürfe es in einem sicheren Herkunftsland keine Verfolgung spezifischer Gruppen geben, sagte Hofreiter. „Wenn man sich aber anschaut, dass Menschen verurteilt werden, nur aufgrund der Tatsache, dass sie homosexuell sind, ist diese Voraussetzung nicht mehr erfüllt“, sagte er.

Anerkennungsquoten sowieso gering, sagt Gabriel

SPD-Chef Gabriel sagte dagegen den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, eine Einstufung als sicheres Herkunftsland bedeute nicht, dass das Recht auf Asyl für Menschen aus diesen Staaten wegfalle. „Nur müssen die Betroffenen belegen, dass sie wirklich politisch verfolgt werden“, sagte der Vizekanzler. Die Anerkennungsquoten seien äußert gering.

Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth verwies darauf, dass diese teils unter den Niveau der Balkanstaaten lägen, deren Einstufung als sichere Herkunftsstaaten die Grünen mitgetragen hatten. Auch seien Asylbewerber aus Maghreb-Staaten überproportional an Straftaten beteiligt.

Ziel des Gesetzes, über das am Freitag der Bundesrat abstimmen soll, ist es, die Asylverfahren von Menschen aus den drei nordafrikanischen Staaten zu beschleunigen und abgelehnte Bewerber aus diesen Ländern schneller abschieben zu können. Der Bundestag hatte Mitte Mai zugestimmt.

Scheuer attackiert Grüne

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer griff die Grünen scharf an. „Wenn die Grünen nicht für die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten stimmen, dann machen sie sich zum Gehilfen für massenhaften Asylmissbrauch“, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Kretschmanns Koalitionspartner Strobl mahnte: „Ich halte Verlässlichkeit für ein hohes Gut in der Politik. Ich gehe davon aus, Herr Kretschmann sieht das genauso“, sagte der CDU-Politiker der Heilbronner Stimme und dem Mannheimer Morgen. Er verwies auf den gemeinsamen Koalitionsvertrag vom Mai. Darin heißt es, Baden-Württemberg werde der Einstufung der drei Staaten als sichere Herkunftsländer zustimmen, „falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“.

Der Spiegel berichtete aus den rot-grünen Regierungen, diese hätten auf ein Gesprächsangebot von Kanzleramtschef Peter Altmaier gewartet, das jedoch nicht gekommen sei. „Es ist zu spät, sie haben es echt vergeigt“, zitiert das Magazin einen nicht genannten Verhandlungsführer der Grünen.

Im vergangenen Jahr kamen 26.000 Personen aus den drei Ländern in die Bundesrepublik. Von Januar bis Mai 2016 waren es 5272 – davon 2523 aus Marokko, 2370 aus Algerien und 379 aus Tunesien.

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