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Diskussion um die Berliner MitteMitte, Münze, Molkenmarkt

Nach dem Aus für die Ateliers in der Alten Münze war auf einer Veranstaltung der Linkspartei im Podewil aber auch viel Selbstkritik zu hören.

Die Baustelle des Molkenmarkts mit der Alten Münze im Bild obenrechts Foto: Monika Skolimowska

Berlin taz | Am Ende einer Veranstaltung am Mittwochabend, bei der die Linkspartei zu einer Diskussion über die Neugestaltung des Molkenmarkts eingeladen hatte, gab es noch ein Stelldichein vor der Klosterruine in der Klosterstraße. Von dort aus ließ sich betrachten, welche Planungen es im Klosterviertel gibt, um Berlins historische Mitte neu zu erfinden.

Das Haus gegenüber, erklärte ein Architekt, könne abgerissen werden, sicher sei das jedoch nicht. Neben der Ruine sei eine Schule geplant, für die sich allerdings kein Träger finde, weil diese dann direkt neben einer Hauptverkehrsstraße liege. Die Ruine selbst solle nach der Vorstellung des Bezirks Mitte weiterhin ein Denkmal bleiben. Es gäbe aber auch die Idee, Teile des ehemaligen Franziskanerklosters aus dem 13. Jahrhundert zu rekonstruieren.

Haus abreißen oder nicht, Schule bauen oder nicht, darüber lässt sich ja diskutieren. Aber ein Kloster, von dem nur noch ein bisschen Gemäuer übrig ist, wieder aufbauen, das kann doch niemand wirklich wollen, oder?

Anscheinend schon. Schließlich befindet man sich hier unweit des teilrekonstruierten Berliner Stadtschlosses, von dem nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und der folgenden Sprengung in der DDR sogar noch weniger übrig war als vom einstigen Kloster. Es gibt sie schließlich, die Kräfte in Berlin mit politischem Einfluss, die aus der historischen Mitte der Stadt irgendwo zwischen dem pseudoschmucken Nikolaiviertel und der abgrundtief hässlichen Shopping-Mall Alexa, ein wunderliches Stadtbild erzeugen möchten. Eines, bei dem möglichst so getan werden soll, als könne man die Narben aus dem Zweiten Weltkrieg und aus der Zeit, in der Berlin eine zweigeteilte Stadt war, einfach überschminken.

Kulturkampf zwischen Retro und Zukunft

Darüber, wie dieses Gebiet in Zukunft gestaltet werden soll, ist längst ein Kulturkampf entbrannt. Zwischen den Rückwärtsgewandten, die das Stadtbild wieder „heilen“ wollen, wie sie sagen, und denjenigen, die mit einem derart geschichtsvergessenen Revisionismus nichts am Hut haben.

Eindeutig gegen Rekon­struk­tionspläne, die den Wiederaufbau von Schlössern und Klöstern vorsehen, ist auch die Linkspartei. Das wurde bei der Begehung der Klosterruine und bei der vorangegangenen Podiumsdiskussion im Kulturort Podewil mehr als deutlich. „Raum für Kultur statt Retro!“, lautete die Forderung bei dem Fachgespräch über die Neugestaltung von Molkenmarkt und Klosterviertel. Für Retro scheint die Linke dabei nicht nur die parteilose und von der SPD ernannte Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt zu halten, sondern gleich die gesamte SPD.

Auf dem Podium, auf dem niemand ohne eine gewisse Nähe zur Linken saß, wurde natürlich über Kai Wegner und seine CDU geschimpft. Dass sich aber die SPD so bereitwillig dessen konservativer Politik unterwirft, wo man doch bis zur Neuwahl Anfang des Jahres ihr Koalitionspartner in einer Regierung gemeinsam mit den Grünen war, das macht die Linken offensichtlich fassungslos.

Dass sich die Partei dabei in einem Zustand irgendwo zwischen Selbstreflexion, Resignation und neuem Kampfeswillen befindet, wurde vor allem bei der Diskussion um die Alte Münze deutlich, die Teil des Molkenmarkts ist und im Mittelpunkt der Veranstaltung im Podewil stand.

Nach den Plänen des ehemaligen linken Kultursenators Klaus Lederer hätte hier ein Ort für die Freie Kunstszene entstehen sollen mit einem Zentrum für Jazz und improvisierte Musik als Aushängeschild. Geradezu handstreichartig wurden die Pläne von der CDU gekippt. Stattdessen soll ein privatwirtschaftliches Unternehmen für mindestens 30 Jahre den Ort in Eigenregie bespielen dürfen.

Lennart Siebert, der Atelierbeauftragte der Stadt Berlin, der sich um bezahlbare Räume für Künstler und Künstlerinnen zu bemühen hat, wies darauf hin, dass aktuell die Ateliers weniger statt mehr werden würden. Die Alte Münze mit ihren vielen Raummöglichkeiten hätte bei diesem Problem wenigstens ansatzweise Abhilfe schaffen sollen.

Sabine Kroner, Sprecherin des Rats für die Künste, beklagte, dass die CDU mit der SPD im Schlepptau mit ihrer überraschenden Planänderung für die Alte Münze das noch von Lederer angestoßene Beteiligungsverfahren und dessen Ergebnisse missachten würden.

Thorsten Wöhlert von der Linkspartei, ehemaliger Staatssekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Kultur, der direkt in das Verfahren zur Neugestaltung der Alten Münze involviert war, gab sich dagegen ziemlich zerknirscht und selbstkritisch. Er meinte, dass der Aushandlungsprozess darum, wer nun genau und zu welchen Konditionen in die Alte Münze kommen darf, viel zu lang gedauert habe: „Wenn man das Gefühl bekommt, der Prozess ist wichtiger als das Ergebnis, dann stimmt etwas nicht.“

Tatsächlich wurde 2018 das Beteiligungsverfahren in Gang gesetzt. Als sechs Jahre später immer noch keine belastbaren Ergebnisse vorlagen, setzte die CDU ihre eigene Agenda durch. „Wir hätten viel weiter sein können“, führte Wöhlert seine erstaunlich offene Selbstgeißelung fort und sprach von einem „Suizid mit Ansage“.

Man habe allen gerecht werden wollen, der Freien Szene, den Theaterleuten, den Jazzern und den Clubbetreibern und versucht, einen Ausgleich der Interessen herzustellen. Doch man habe feststellen müssen, dass allein schon das geplante Jazzzentrum im selben Haus mit einem Club wahrscheinlich nicht funktionieren werde. „Faule Kompromisse“ habe man deswegen geschlossen und zu Ergebnissen gefunden, die „mit der Realität nichts mehr zu tun hatten“.

Sogar der Tatsache, dass das Areal gleich für 30 Jahre an ein Unternehmen vergeben werden soll, konnte er etwas Positives abgewinnen. Denn immerhin werde es dadurch drei Dekaden lang als Kulturort gesichert und müsse nicht etwa einem Supermarkt weichen.

Dass Wöhlert hier fast schon wie ein Pressesprecher der CDU klang und teilweise deren Kritik am Verfahren um die Alte Münze übernahm, wollte eine der Moderatorinnen des Panels lieber überhören. Sie rief zu „zivilem Ungehorsam“ auf und warf die Idee in den Raum, die Alte Münze zu besetzen. Wahrscheinlich um zu demonstrieren, dass die Linke den Kampf um Berlins Mitte von der Alten Münze bis hin zur Klosterruine nicht einfach so aufgibt.

Auch wenn sie derzeit kaum noch etwas zu melden hat in der Stadt.

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9 Kommentare

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  • Die Zeit des rot-rot-grünen Senates war geprägt von internen Streitereien und erinnerte eher an einen Haufen von Aktivisten statt Verwaltung. Das zielgerichtete und pragmatische Handeln des neuen Senates ist dagegen höchst erfrischend.

    • @DiMa:

      "höchst erfrischend". cringe.

      für menschen, die kapitalinteressen gegen den gesunden menschenverstand durchgesetzt sehen wollen (stichwort: "alle verkehrsteilnehmer berücksichtigen" - lol, stichwort "schneller bauen" - lol), mag das pragmatisch und erfrischend erscheinen.

      für alle anderen ist es eine einzige zumutung. und auch für diejenigen unter den 80% mieter*innen in dieser stadt, die sich der illusion hingeben, schwarz-rot habe ihre interessen im blick, dürfte es am ende vor allem eine schmerzhafte erfahrung gewesen sein.

      für die sie dann vermutlich ganz im sinne der law-and-order-koalition ihre phantasmagorien namens "klimakleber", "links-grün-versifften gutbürger", "wohlstandsmigration" und "unintegrierbare fremde" verantwortlich machen werden...

      • @Pflasterstrand:

        Ihr Beitrag impliziert, die Vorgängerregierung hätte die Mieterinteressen im Blick gehabt. Die beiden dafür eingesetzten Mittel,Mietendeckel und Vorkaufsrecht waren rechtswidrig und haben den Mietern geschadet statt zu helfen (Veräußerung Privater an Investoren, jahrelang kein qualifizierter Mietspiegel). Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung muss erst mal wieder aufgebaut werden.

        Das Wahlergebnis zeigt ganz deutlich, was der Wähler davon hält. Die von Herrn Wöhlert geäußerte Selbstkritik ist zutreffend.

        • @DiMa:

          1. War das Wahlergebniss nicht deutlich. Eine Fortführung der rot-grün-roten Koalition wäre zumindest von den Mehrheitsverhältnissen her problemlos fortsetzbar gewesen.



          2. Ist es unzutreffend, die eingesetzten Mittel als "rechtswidrig" zu bezeichnen



          3. Ist es falsch, zu behaupten, die Wahrnehmung der Vorkaufsrechte hätte den Mieter*innen geschadet. Reden Sie mal mit Menschen, deren Häuser nicht an Spekulanten gegangen sind, sondern heute von einer Genossenschaft oder einer LWU bewirtschaftet werden.



          4. Ist es ebenso unzutreffend, den Mietendeckel für die Krise am Wohnungsmarkt verantwortlich zu machen. Das ist eine bis heute empirisch nicht nachweisbare Polemik der Immo-Lobby. Ohne qualifizierten Mietspiegel wurde die Mitte indexiert angepasst, was in etwa aufs Gleiche rausgekommen ist, wie wir jetzt sehen. Außerdem wurde in allen landeseigenen Wohnungen eine Mietbremse eingeführt, die bis vor kurzem gültig war – das hat sich dämpfend auf die im jetzt veröffentlichten qual. Mietspiegel angegebene Durchschnittmiete niedergeschlagen. Ich weiß beim besten Willen nicht, inwiefern niedrigere Mieten den Mieter*innen schaden.

          • @Pflasterstrand:

            Die Rechtswidrigkeit der Mittel (Mietendeckel und Vorkaufsrecht) ist höchstrichterlich rechtskräftig entschieden.

            Der Mietendeckel hat zu einer Veräußerung vom Immobilien privater Personen an Höchstbietende geführt. Ich habe beruflich eine ganze Reihe dieser Verkäufe begleitet.

            Im Übrigen habe ich den Mietendeckel nicht für die Krise verantwortlich gemacht, er hat diese ungeachtet anderer Intentionen lediglich vertieft. Gut gemeint ist halt noch lange nicht gut gemacht.

            • @DiMa:

              Der Berliner Mietendeckel fällt in den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und wurde deshalb vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Auf Bundesebene ließe sich das Gesetz zur Mietpreisbremse jederzeit so nachschärfen, dass es auch Regelungen des Berliner Mietendeckels übernimmt. Kappungsgrenzen für Mieten waren bis weit in die 80er Jahre vor der neoliberalen Wende normal.

              Wie viele Fälle haben sie den "begleitet"? 3, 10, 150, 2000? Tut mir leid, aber das ist einfach keine empirisch belastbare Aussage.

              Der Mietendeckel hat keinerlei Anteil an der Krise und hat sie auch nicht vertieft. Die Behauptung, es sei anders, macht den Bock zum Gärtner. Mieten steigen schließlich nicht, sie werden erhöht.

              • @Pflasterstrand:

                Was auf Bundesebene möglich wäre oder nicht ist für das Handeln der Landesregierung ohne Bedeutung. Die damalige Regierung hätte das Vorhaben in den Bundesrat einbringen können und gut wärs gewesen (Genau so hatte ich damals schon argumentiert).

                Private Eigentümer gelten statistisch als die zurückhaltensten Vermieter bei Mieterhöhung. Diese haben sich im Zuge des Mietendeckels verstärkt aus dem Berliner Mietenmarkt durch Verkauf zurück gezogen. Die Neueigentümer erhöhen stärker als die Akteigentümer. Da wir wegen des Mietendeckels eine Weile auch nur einen einfachen Mietspiegel hatten, konnten Vermieter für Erhöhungen auch andere Vergleichsmieten ansetzen. Anders als der qualifizierte Mietspiegel ist der einfache Mietspiegel halt nicht zwingend.

                Hier hat sich der gewillte Gärtner selbst zum Bock gemacht.

                • @DiMa:

                  so ist das mit den kapitalverhältnissen. wie ich bereits sagte: die mieten steigen nicht, sie werden erhöht. effektiv kann dagegen eigentlich nur ein mietendeckel helfen

                  • @Pflasterstrand:

                    Und der Mietendeckel ist halt keine Landessache (war es nie).