Diskussion um befristete Stellen: Die schlechten Jobs der NGOs
Das Bundesarbeitsministerium will sachgrundlose Befristungen einschränken. Dies könnte aber die Arbeit von NGOs und Ökoverbände erschweren.
„Wir schaffen eine komplett neue Stelle, die Referate Presse- und Öffentlichkeitsarbeit waren bisher bei uns getrennt. Es ist ein Experiment, wir möchten ausprobieren, ob das funktioniert“, sagt ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. Das Risiko trägt der Beschäftigte. Allerdings, so sagt Mihr, seien „in aller Regel befristete Stellen bei uns bisher entfristet“ worden.
Vor der vergangenen Bundestagswahl war das Thema Stellenbefristung einer der großen Wahlkampfschlager der SPD. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD festgeschrieben, dass zumindest sachgrundlose Befristungen zukünftig nur noch 1,5 Jahre statt wie bisher 2 Jahre dauern dürfen. Das Gesetz soll, so verlautet aus dem Arbeitsministerium, innerhalb des nächsten Jahres kommen. Probleme dürfte das zunächst einmal dem öffentlichen Dienst mit seinen vielen sachgrundlosen Befristungen bereiten – und vielen NGOs: Dort, wo man sich um ökologische Nachhaltigkeit und Menschenrechte sorgt, ist das Bewusstsein für nachhaltige Arbeitsbedingungen gering.
Das Jobportal greenjobs.de, auf dem Stellen im Ökobereich angeboten werden, wertete im vergangenen Jahr die Stellenangebote auf der eigenen Seite aus: Knapp 30 Prozent der ausgeschriebenen Stellen waren befristet, bei Verbänden und im öffentlichen Dienst sogar 50 Prozent. Insgesamt ist die Zahl der befristeten Stellen in Deutschland wesentlich geringer – sie lag 2017 laut einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei 8,3 Prozent.
Mehr Sicherheit für Arbeitnehmer
ROG-Geschäftsführer Mihr begrüßt die geplante Neuregelung der Bundesregierung: „Wir haben als Arbeitgeber Interesse an guten Arbeitsbedingungen, das passt in unsere Linie.“ Aber warum hat ROG die Stelle nicht von sich aus auf 1,5 Jahre ausgeschrieben, wenn man das geplante Gesetz des Arbeitsministeriums doch gut findet? „Wir haben darüber nicht nachgedacht, weil uns die geplante Neuregelung nicht präsent war.“
Mihr gibt bereitwillig Auskunft. Was nicht selbstverständlich ist, wenn man bei NGOs zu befristeten Stellen nachhakt. Beim Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam, das derzeit auf zwei Jahre befristet einen Referenten für politische Kommunikation sucht, ist man zugeknöpft. Dies seien „interne Vorgänge“, heißt es.
Die Öko- und NGO-Arbeitgeber können es sich leisten. „In dem Bereich sind viele unterwegs, die das aus Überzeugung tun und sich deshalb auf manches einlassen. Das können Arbeitgeber ausnutzen“, sagt Jan Strohschein von greenjobs.de. „In anderen Bereichen brauchen Sie als Arbeitgeber mit einer Befristung erst gar nicht zu kommen – da bewirbt sich keiner.“
Die Begründung von Reporter ohne Grenzen für die Befristung der Stelle kann er nicht nachvollziehen: „Wenn ich Bewerber wäre, würde ich bei so einer Ausschreibung sagen: Das finde ich seltsam. Der Arbeitgeber müsste, wenn es mit der Zusammenführung der beiden Bereiche nicht klappt, eine andere Beschäftigung für den Teamleiter finden, anstatt ihn in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.“
Auch Reporter ohne Grenzen sieht keine Probleme damit, gute Bewerber zu finden: „Vermutlich bewerben sich wieder Leute mit einer hohen intrinsischen Motivation bei uns“, sagt Geschäftsführer Mihr.
Selbst linke Landesregierungen befristen sachgrundlos
Im Gegensatz zu den NGOs geht die Berliner rot-rot-grüne Landesregierung jetzt voran – auch ohne bundesgesetzliche Regelung: Anfang Juli beschloss der Senat, zukünftig auf sachgrundlose Befristungen zu verzichten. 2.161 der 4.228 befristeten Stellen bei Landesunternehmen waren Anfang 2018 sachgrundlos befristet, die andere Hälfte war mit Sachgrund, etwa als Elternzeitvertretung.
Allerdings: Es soll Ausnahmen geben, etwa, wenn bei einer Einführung neuer Aufgaben das Personal aufgestockt wird, im Haushalt dafür aber noch keine Stellen zur Verfügung stehen. Und in der Praxis sieht es noch anders aus: Der landeseigene Klinikkonzern Vivantes sucht gerade mehrere Ergotherapeuten – zeitlich auf zwei Jahre befristet. Was von dem Senatsbeschluss übrig bleibt, wird man sehen.
Sicher ist jedenfalls: Auch in linken Landesregierungen ist die Ablehnung von sachgrundlosen Befristungen keine ausgemachte Sache. „Sachgrundlose Befristungen sind in Thüringen kein Thema“, sagt Juliane Riehm, Sprecherin des Finanzministeriums. Was nicht heißt, dass es keine solchen Stellen gibt: Im Juli hatte das Linken-geführte Arbeitsministerin die Stelle einer Referentin im Bereich „Tierschutz“ auf zwei Jahre sachgrundlos befristet ausgeschrieben. Begründung: Es stünde dafür keine dauerhafte Planstelle zur Verfügung, „da die gesamte Landesverwaltung einem Stellenabbau zur Personalkosteneinsparung unterliegt“, so Ministeriumssprecher Stefan Wogawa zur taz. Zahlen zu Befristungen für die gesamte Landesverwaltung gibt es nicht, sie müssten bei jedem Ressort einzeln abgefragt werden.
Ähnlich ist die Situation im rot-roten Brandenburg. Auch hier gibt es keine zentrale Erfassung von sachgrundlosen Befristungen im Landesdienst – wohl aber eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften, dass die Gesamtzahl der befristeten Stellen um ein Drittel reduziert werden soll. Was Sinn ergeben kann: Denn ein Teil der Stellen, die als sachgrundlos befristet ausgeschrieben sind, lässt sich ebenso als mit Sachgrund befristete Jobs ausschreiben – die Thüringer Tierschutzstelle etwa, deren Befristung dann mit nicht dauerhaft vorhandenen Geldern begründet würde. Allerdings sind die Möglichkeiten, sich bei einer Befristung mit Sachgrund einzuklagen, größer.
Im NGO-Bereich ist ohnehin ein großer Teil der Stellen mit Grund befristet, weil es sich um Projektfinanzierungen handelt. Das neue Gesetz würde daran nichts ändern. Nur ein Beispiel von vielen: Die Heinz Sielmann-Stiftung sucht derzeit einen Eventmanager in Brandenburg, auf zwei Jahre befristet. 15 Prozent der gesamten Stellen bei der Stiftung seien zeitlich beschränkt, sagt Vorstand Michael Beier zur taz.
Und: „Probleme bei der Bewerberlage gibt es nicht – wir haben eine hohe Anerkennungskultur in unserer Stiftung.“ Anerkennung statt sicherer Arbeitsplätze – vielen Mitarbeitern im NGO-Bereich scheint das genug zu sein.
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