Diskussion um Wahlrechtsreform: Brinkhaus' Vorschlag fällt durch
Es gibt zu viele Bundestags-Abgeordnete. Wie kann sich das ändern? Ein unionsinterner Vorstoß scheiterte am Montag, jetzt wird in der Partei debattiert.
Hintergrund der Reformbemühungen ist, dass der Bundestag aktuell 709 Mitglieder hat und damit viel mehr als die Regelgröße von 598 Abgeordneten. Experten rechnen mit einer weiteren deutlichen Vergrößerung nach der nächsten Wahl, sollte das Wahlrecht nicht geändert werden.
Nach einem auch Unions-intern kontrovers diskutierten Vorstoß von Brinkhaus zur Deckelung der Abgeordnetenzahl bei 750 und nachdem die CSU signalisiert hatte, von 2025 an einer Verringerung der Zahl der Wahlkreise zuzustimmen, sei der Gordische Knoten geplatzt, hieß es am Montag aus Kreisen von CDU und CSU. Eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise hatte die CSU bisher kategorisch abgelehnt.
Das von Brinkhaus eingebrachte Modell eines Notfallmechanismus für die Bundestagswahl 2021 sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordneten eine Kappung vor. Danach soll im Wechsel je ein Überhangmandat nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden – bis man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist. Von 2025 an sieht dieses Modell eine Reduzierung der Wahlkreise von jetzt 299 auf 280 vor, sieben Überhangmandate sollen ausgleichslos bleiben.
„Der denkbar schlechteste Vorschlag“
Gegen diesen Vorschlag wächst aber offenbar der Widerstand in der Unionsfraktion. „Dieser Vorschlag stellt aus unserer Sicht keine geeignete Grundlage für eine verfassungskonforme und sinnvolle Wahlrechtsänderung dar“, heißt es nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung in einem Brief, der von mindestens 39 Mitgliedern der Fraktion unterzeichnet worden sei. „Es ist leider der denkbar schlechteste Vorschlag aller bisherigen Vorschläge“, schreiben die Abgeordneten demnach weiter.
Das zweite Modell sieht ein Vorziehen der Reduzierung der Zahl der Wahlkreise auf 280 schon für 2021 vor, der Notfallmechanismus würde entfallen. In Unionskreisen hieß es, dieses Modell sei technisch schwierig umzusetzen, aber möglich.
Das dritte Modell entspricht dem CSU-Vorschlag vom Montag: Es beinhaltet die einmalige Anwendung einer Höchstgrenze für 2021 von 699 Abgeordneten – 299 Wahlkreiskandidaten und maximal 400 Listenmandate. Bei einem Überschreiten der Höchstgrenze solle die Zahl der Abgeordneten im Verhältnis der Fraktionen reduziert werden. Ab 2025 würde die Größe des Bundestages durch eine Kombination von ausgleichslosen Überhangmandaten und einer Reduzierung der Zahl der Wahlkreise begrenzt.
Grüne und FDP hatten den CSU-Vorschlag allerdings am Montag umgehend als verfassungswidrig zurückgewiesen. Einer der prominentesten Sozialdemokraten im Bundestag, dessen Vizepräsident Thomas Oppermann, drohte damit, für den Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken zu stimmen, wenn die Koalition sich nicht einigen könne.
Kritik vom Bund der Steuerzahler
Die Fraktionen hatten sich schon in der vergangenen Wahlperiode nicht auf eine Reform einigen können. In der Folge wurde das Parlament bei der Wahl 2017 mit 709 Abgeordneten so groß wie nie zuvor. Die Sollgröße des Parlaments beträgt 598 Sitze. Für die Bundestagswahl 2021 wird ohne Wahlrechtsänderung ein Anwachsen auf 800 oder noch mehr Abgeordnete befürchtet.
Bislang liegt dem Bundestag nur ein einziger Gesetzentwurf vor, der dies verhindern will. Ihn haben FDP, Grüne und Linke gemeinsam eingebracht. Er sieht auch eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 vor. Die drei Oppositionsfraktionen bestehen darauf, dass der Entwurf am kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der parlamentarischen Sommerpause, abschließend beraten und zur Abstimmung gestellt wird.
Der Bund der Steuerzahler übte scharfe Kritik wegen der Verzögerung der Wahlrechtsreform. „Ich halte es für unsäglich, dass die Fraktionen eine dringend nötige Reform des komplizierten Wahlrechts mit seinen Überhang- und Ausgleichsmandaten verschleppen – das Nachsehen haben die Wähler und Steuerzahler“, sagte der Präsident der Interessenvereinigung, Reiner Holznagel, der „Welt“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!