Diskussion um Veränderung von Erbgut: Klöckner will neue Gentechnik
Die Landwirtschaftsministerin spricht sich dafür aus, Crispr/Cas weniger streng zu regulieren. Kritik kommt von SPD und Grünen.
Durch Crispr/Cas – auch bekannt als Genscheren- oder Mutagenese-Technologie – kann Erbgut gezielter als bisher verändert werden. Bei älteren Techniken wurden etwa mit einer Genkanone Gene in das Erbgut geschleust. Bei Crispr/Cas bauen zelleigene Reparatursysteme die DNA nach einer von Wissenschaftlern erstellten Vorlage um.
Befürworter hatten verlangt, solche Pflanzen mit rechtlich konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzusetzen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verfügte aber im Juli, dass Crispr/Cas-Pflanzen denselben restriktiven Zulassungsbestimmungen unterliegen müssen wie herkömmliche gentechnisch veränderte Organismen (GVO). Das heißt: Sie müssen auf ihre Risiken für Mensch und Umwelt hin überprüft werden. Zudem müssen sie als gentechnisch verändert gekennzeichnet werden. Wegen des Widerstands in der Bevölkerung bieten die meisten Läden solche Lebensmittel gar nicht erst an.
„Wir müssen achtgeben, dass wir nicht aus Luxuspositionen des Überflusses heraus in Europa eine neue Technologie vor die Tür setzen“, sagte Ministerin Klöckner nun. Die neue Technologie könne die Lösung für landwirtschaftliche Probleme werden. „Damit könnten beispielsweise dürreresistente Pflanzen gezüchtet werden.“
Grüne kritisieren Stimmungswandel
„Das Urteil des EuGH sollte auch die Bundeslandwirtschaftsministerin anerkennen“, sagte dagegen der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Matthias Miersch. Harald Ebner, Sprecher für Gentechnikpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, kritisierte, Klöckner habe zuvor vorgegeben, sich über die rechtliche Klarstellung des Gerichts zu freuen. Nun stimme Klöckner „nach kürzester Schamfrist voll ein in den Chor der Gentechnik-Lobby“. Dabei habe das oberste europäische Gericht lediglich eine Selbstverständlichkeit bekräftigt: „Dass auch neue Gentechnik Gentechnik ist und genauso behandelt werden muss.“ Das infrage zu stellen, untergrabe nicht nur das Vertrauen in europäische Institutionen, sondern ebne auch den Weg „für Verbrauchertäuschung durch verschleierte Gentechnik im Essen“.
Die Kritiker befürchten Gesundheitsrisiken durch Crispr/Cas und dass die neuen Pflanzen dazu dienen könnten, eine umweltschädliche Landwirtschaft fortzuführen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen