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Diskussion um RentenbesteuerungDie Mahnungen überhört

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Bundesfinanzhof fordert schnelle Änderungen beim Einkommenssteuergesetz, damit Renten nicht doppelt besteuert werden.

Jutta Förster, vorsitzende Richterin am Bundesfinanzhof, während der Urteilsverkündung Foto: Peter Kneffel/dpa

D er Rüffel der Richter trifft den Finanzminister von 2004: Hans Eichel (SPD). Die damalige rot-grüne Mehrheit hat bei der Umstellung der Rentenbesteuerung getrickst, um Kosten zu sparen. Nun fordert der Bundesfinanzhof (BFH) eine schnelle Änderung im Einkommensteuergesetz, bevor eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung eintritt.

Die Kritik der Rich­te­r:in­nen kommt gar nicht überraschend. Schon 2004, als der Bundestag das Alterseinkünftegesetz beschloss, hat der Verband Deutscher Rentenversicherungträger genau auf diesen Punkt hingewiesen: Der jährliche Grundfreibetrag für das Existenzminimum darf nicht benutzt werden, um die Kosten der Systemumstellung künstlich herunterzurechnen. Das Existenzminimum ist steuerfrei, weil hier die Leistungsfähigkeit keine Steuerzahlung zulässt. Es ist nicht steuerfrei, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

Es wird eine der ersten Aufgaben des neu gewählten Bundestags sein, die Rentenbesteuerung und vor allem die Übergangsregelung nachzubessern. Profitieren werden vor allem diejenigen, die von einer Doppelbesteuerung am ehesten betroffen wären: selbstständige, unverheiratete Männer und all diejenigen, die erst in den nächsten Jahren in Rente gehen.

Die anstehende Reform der Rentenbesteuerung ist kein Mittel gegen Altersarmut. Denn wer weniger als 9.744 Euro pro Jahr Rente erhält, zahlt schon derzeit keine Steuern. Wer keine Steuern zahlt, kann aber auch nicht bei der Steuer entlastet werden.

Wenn die Linke nun ankündigt, die Rentenbesteuerung im Wahlkampf zum Thema zu machen, hat das mit dem BFH-Urteil wenig zu tun. Die Linke will vielmehr den Grundfreibetrag von 9.744 Euro auf 14.400 Euro jährlich erhöhen. Nutzen würde das nur denjenigen, die auf ihre Renten Steuern zahlen müssen – profitieren würden also auch die richtig gut verdienenden Rent­ne­r:in­nen mit Aktienpaketen und Mietshäusern. Wer gezielt arme Rent­ne­r:in­nen fördern will, muss ihre Grundsicherung erhöhen, statt Steuerfreibeträge anzuheben.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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4 Kommentare

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  • 2G
    21327 (Profil gelöscht)

    Grundsicherung = Grundfreibetrag: 14.400 Euro/Jahr = 1.200 Euro/Monat,



    "Mindestrente von 1.200 Euro"(www.die-linke.de/w...rammentwurf-2021/)

  • Und wer traut sich das zu fordern? Wir unternehmen ja gerade sehr viel, um unseren Ältesten das Leben zu retten. Aber gut leben lassen wollen wir sie scheinbar nicht so recht...

  • "Profitieren werden vor allem diejenigen, die von einer Doppelbesteuerung am ehesten betroffen wären: selbstständige, unverheiratete Männer und all diejenigen, die erst in den nächsten Jahren in Rente gehen."

    Stimmt. Die Politik muss nun eine Gruppe bevorzugen, die in den letzten Jahren zum Feindbild im politischen Kulturkampf gemacht wurde, nämlich die gut verdienenden Männer (sic!), die heute auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stehen und künftig in Rente gehen werden.

    Dieser Kommentar hier auf der taz ist der erste, der ausdrücklich diesen Aspekt herausgreift und betont, so wie es der BFH auch gemacht hat. Ich habe den Eindruck, die anderen Medien haben Angst davor, zu benennen, wen das Rentensystem benachteiligt.

    Es könnte sich als politisch schwer herausstellen, genau diese Gruppe nun gezielt bevorzugen zu müssen.

    Die Berechnungsmethode des BFH greife ich damit aber nicht an - die ist richtig und wurde in der Rechtswissenschaft schon seit Jahren genauso angemahnt, wie es der BFH nun machte. Nur der Gesetzgeber wollte es nicht wahrhaben.

    • @Nivander:

      Könnten Sie bitte ausführen, inwiefern das Rentensystem die nicht gut verdienenden, abhängig beschäftigten Frauen benachteiligt.



      Diese Benachteiligung gibt es zumindest in der Auszahlungsphase der gesetzlichen Rentenversicherung nicht.



      Die Rentenzahlungen hängen von den Einzahlungen während der Erwerbstätigkeit ab.

      Die Benachteiligung spielt sich vorher ab, im Erwerbsleben. Sei es, weil Personen Teilzeit arbeiten müssen, sei es, weil Menschen sich auf einer schlecht bezahlten Stelle abmühen müssen.

      Oder, und auch das gehört zur Wahrheit, weil sie es vermieden haben, in sozialversicherungspflichtigen Jobs zu arbeiten.