Diskussion um Berliner Polizeigesetz: Schwarz-Rot beschließt weitere Verschärfungen
Das umstrittene Berliner Polizeigesetz hat die nächste Hürde genommen. CDU und SPD haben den Entwurf überarbeitet – und dabei Befugnisse ausgeweitet.
Unter anhaltender Kritik von Opposition und Datenschützer*innen hat Berlins schwarz-rote Koalition die umstrittene Reform des Polizeigesetzes weiter vorangetrieben. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses stimmten die Abgeordneten von CDU und SPD am Montag für den Entwurf. Zuvor hatte die Koalition noch zahlreiche Änderungen vorgelegt, die ebenfalls angenommen wurden.
Grüne und Linke zeigten sich enttäuscht. „Der Umfang spricht nicht für Qualität“, kritisierte Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco den 170-seitigen Änderungsantrag zu dem mehr als 700 Seiten starken Gesetzentwurf. „Das ist eine Verschlimmbesserung. Die Koalition schießt nach wie vor weit über das Ziel hinaus.“ Der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader warf CDU und SPD vor, mit ihrem Vorgehen eine „qualifizierte Debatte“ zu verhindern. Die umfassenden Änderungen waren erst am Freitag eingereicht worden.
Tatsächlich enthält der Änderungsantrag kaum Einschränkungen der neuen und teils weitreichenden Befugnisse, mit denen die Koalition die Berliner Polizei ausstatten will. Dabei hatten Fachleute in einer Anhörung mehrere Regelungen scharf kritisiert und gewarnt, diese seien verfassungswidrig.
Stattdessen nutzt die Koalition die Überarbeitung, um das Gesetz weiter zu verschärfen. Zum Beispiel soll die biometrische Suche im Internet anhand von Gesichtern und Stimmen nicht nur zur Identifizierung und Ortung von Verdächtigen, sondern auch von deren Kontakt- und Begleitpersonen möglich sein.
Vasili Franco, Grüne
Außerdem dürfte die Polizei demnach künftig Daten ausdrücklich auch mithilfe „selbstlernender Systeme“ – also Künstlicher Intelligenz (KI) – auswerten. Das hatte die Koalition im ersten Entwurf noch ausgeschlossen. Dass dabei diskriminierende Algorithmen entstehen, soll durch „geeignete Maßnahmen“ verhindert werden, heißt es weiter.
„Das Gesetz liest sich wie ein Freifahrtschein für Palantir (Überwachungssoftware aus den USA, d. Red.), sagte Vasili Franco mit Blick auf den KI-Einsatz bei der Datenanalyse. Für Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp wirft die Öffnung für selbstlernende Systeme „erhebliche verfassungsrechtliche Fragen auf“. Der Schutz vor Diskriminierung sei zudem zu unbestimmt und deshalb problematisch, schreibt Kamp in einer Stellungnahme.
Wohl schon zum Jahreswechsel in Kraft
Der Senat verteidigte die Änderungen. „Das ist ein ausgewogenes Gesetzespaket mit Maß und Mitte“, erklärte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) am Montag. Es novelliere Berliner Polizeirecht und hebe es „auf die Höhe der Zeit“.
Nachdem der Innenausschuss den Entwurf nun abschließend beraten hat, landet er als Nächstes im Hauptausschuss. Dort geht es allerdings nur um Geldfragen. Am 4. Dezember will die Koalition das Gesetz im Plenum beschließen; es könnte dann zum Jahreswechsel in Kraft treten.
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