Diskussion um Aufnahme von Geflüchteten: Sicherer Hafen versandet
Lübeck schmückt sich damit, ein „sicherer Hafen“ für Geflüchtete zu sein. Das Flüchtlingsforum hat daran seine Zweifel und fordert mehr Engagement.
taz |
Jene Städte, die sich zu Mitgliedern des Bündnisses „Sicherer Hafen“ erklärt hatten, zeigen damit die Bereitschaft, mehr Geflüchtete bei sich aufzunehmen, als es die gesetzlichen Quoten erfordern. Ins Leben gerufen hatte das Bündnis die Initiative Seebrücke, die sich für Geflüchtete einsetzt. Laut der Seebrücke bilden die Mitgliedsstädte damit eine „starke Gegenstimme zur europäischen Abschottungspolitik“.
2019 schloss sich auch Lübeck dem Bündnis an. Damals erklärte sich die Stadt bereit, 40 Aufnahmeplätze mehr zur Verfügung zu stellen, als es die Quoten erforderten. Doch die Stadt könnte mehr für den Titel „Sicherer Hafen“ tun, findet Torsten Geise vom örtlichen Flüchtlingsforum. Problematisch sei vor allem die Intransparenz bei der Umsetzung der Geflüchtetenhilfe. Die Stadt dokumentiere nicht ausreichend, welche Maßnahmen für die Geflüchtetenhilfe umgesetzt werden. So sei nach Angaben der Seebrücke noch immer unklar, ob die Stadt tatsächlich die besagten zusätzlichen 40 Plätze geschaffen und darin Geflüchtete aufgenommen hat. Auf Nachfrage der taz hat sich die Lübecker Stadtverwaltung nicht zur Kritik geäußert.
Sprachkurse und Wohnungen fehlen
Laut Mariella Hettich von der Seebrücke Deutschland machen viele Städte nicht öffentlich, was sie als „Sicherer Hafen“ umsetzen. Dabei ist Transparenz eine der Forderungen der Seebrücke an die Städte mit dem Titel. So möchte die Seebrücke das Engagement der Städte regelmäßig dokumentieren. Jedoch melden die Städte teils schon seit Jahren keine Fortschritte mehr. Auch die Stadt Lübeck übermittelte ihre Angaben der Seebrücke zufolge zuletzt 2019.
Dabei gibt es in Lübeck laut Andreas Müller, dem Vorsitzendenden der Fraktion Linke & GAL, viel Unterstützung für Geflüchtete – allerdings in großem Umfang auf zivilgesellschaftlicher Ebene. So gibt es ein ehrenamtlich betriebenes Hilfsprogramm für Geflüchtete bei ihrer Ankunft. Zwar werde das auch von der Stadt mitfinanziert und sie unterstütze auch weitere Projekte. Doch ein Großteil der Gelder für das Hilfsprogramm komme von der privaten Possehl-Stiftung. Solche Angebote sind laut Müller jedoch nicht ausreichend. „Es fehlen Sprachkurse und Wohnungen“, sagt er. „Und die kann man leider nicht ehrenamtlich bauen.“
Woanders klappt es
Mariella Hettich sagt, dass das kein Einzelfall ist: „Vieles wird auf die Zivilgesellschaft ausgelagert.“ In manchen Städten übernähmen Privatpersonen die Unterbringung von Geflüchteten. „Dadurch ist der Staat dann raus aus der Finanzierung“, sagt Hettich.
Andererseits gibt es auch kleinere Kommunen, die eine besonders aktive Geflüchtetenhilfe leisten. „Da ist man dann schon ein bisschen überrascht, wenn diese kleinen Kommunen zusätzlich zehn Plätze zur Verfügung stellen'“, sagt Hettich. Das zeige, was Kommunen leisten können, wenn der Wille da ist.
So etwa hat die 18.000-Einwohner:innen-Gemeinde Bruchhausen-Vilsen in der Nähe von Bremen über die Quoten hinaus Geflüchtete bei sich aufgenommen, nachdem sie sich zum „Sicheren Hafen“ erklärt hatte. Dort gibt es keine Geflüchtetenunterkunft – alle Schutzsuchenden kommen nach Angaben der Stadtverwaltung in Wohnungen unter. „Natürlich ist unser Wohnungsmarkt auch entspannter als der in Großstädten“, sagt Volker Kamman von der Stadtverwaltung Bruchhausen-Vilsen. Trotzdem sei der Verzicht auf Geflüchtetenunterkünfte mit mehr Aufwand verbunden, den die Gemeinde aber zu Integrationszwecken betreibe.
In Lübeck hoffen das Flüchtlingsforum und die Fraktion Linke & GAL nun darauf, dass die Verwaltung transparent macht, welche Maßnahmen sie seit 2018 ergriffen hat, um dem Titel „Sicherer Hafen“ gerecht zu werden. Den Antrag, dass sich der Lübecker Bürgermeister mit weiteren schleswig-holsteinischen Städten des Bündnisses „Sicherer Hafen“ gegen die Asylrechtsreform aussprechen soll, hat die Bürgerschaft bei der Sitzung am Donnerstag von der Tagesordnung genommen. Denn für Politik auf EU-Ebene sei die Stadt nicht zuständig, sagt Peter Petereid, Fraktionsvorsitzender der SPD in Lübeck. Trotzdem stehe Lübeck zu seinem Titel als „Sicherer Hafen“.
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