piwik no script img

Diskriminierung von LGBTIQArmutszeugnis für uns alle

Kommentar von Susanne Knaul

Eine Studie zeigt, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz immer noch ein großes Problem ist. Es braucht Veränderung – für beiden Seiten.

Es geht nicht (nur) um Sex, sondern um die Privat- und Sozialsphäre: LGBTIQ Foto: Wolfgang Kumm/dpa

D eutschlands Queer-Community ist weit gekommen, und doch liegt noch viel Arbeit vor ihr, um die Grundpfeiler der Heteronormativität zu zernagen. Jede*r dritte Homosexuelle fürchtet Diskriminierung, so das traurige Ergebnis einer gemeinsamen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bielefeld. Bei transsexuellen Menschen liegt die Zahl der Gemobbten noch höher. Dass sexuelle Orientierung auch im Deutschland des Jahres 2020 überhaupt noch ein Thema ist, ist ein strukturelles Problem.

Basis der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Identität ist die selbstverständliche Annahme, dass mein Gegenüber Hetero und Cis-Mann oder Cis-Frau ist. Auf amtlichen Formularen gibt es nur Männer und Frauen, auf Geburtskunden ist Platz für eine Mutter und einen Vater. Dazwischen ist nichts. Angst vor Ausgrenzung, Stigmatisierung und typisierenden Zuschreibungen hindern LGBTIQ-Menschen daran, sich am Arbeitsplatz zu öffnen.

„Am Wochenende war ich mit meiner Liebsten am See.“ Wenn Frau das sagt, erzählt sie aus ihrem Alltag, macht Smalltalk, mehr nicht, und riskiert damit schon, bei homophoben KollegINNen anzuecken. „Was geht mich das Sexleben dieser Frau an?“, könnten sie meinen. Es geht eben nicht nur um die Intimsphäre, sondern um die Privat- und Sozialsphäre, um ein Zu-sich-selbst-Stehen, um die eigene Sichtbarkeit.

LGBTIQ-Menschen sind überdurchschnittlich qualifiziert, sagt die Studie. Hier greifen die gleichen Mechanismen wie für viele andere diskriminierte Gruppen: Überkompensation. Frauen, schwarze Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund müssen mehr leisten, um dasselbe Ziel zu erreichen.

Die meisten LGBTIQ können wählen, ob sie sich zeigen oder nicht. Dass sich so viele gegen ein Outing entscheiden, ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und für die Community. Auf beiden Seiten braucht es Veränderung, damit sich heterosexuell normativ denkende Menschen und LGBTIQ auch am Arbeitsplatz offen begegnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ich bin ein schwuler Mann und kann nur sagen, daß es mich der Kult um dieses Thema, den auch die Taz betreibt, zunehmend nervt. Es gibt keine schwule "Community". Jeder Schwule ist anders. Viele kommen sehr gut mit ihrem Schwulsein klar, manche Schwule sind sogar recht konservativ, gut angezogen, sehr gebildet und erfolgreich im Beruf. Von Diskriminierung ist da eher selten ein Thema. Vielen in meinem Freundeskreis geht es zum Beispiel auch zunehmend auf die Nerven, ständig in einem Begriff und in einem Atemzug mit der "Transcommunity" verallgemeinert zu werden. Die natürlich auch keine Community ist. Wir sind alles Individuen. Dieses ständige Beschwören des Spalterischen, während man selbst ständig die Gesellschaft in Gruppen, in Communities aufspaltet, ist zum einen lebensfremd und theoretisch, zum anderen auch kontraproduktiv, wenn man wirklich Teil eines größeren, solidarischen Ganzen, einer "Normalität" sein möchte. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als ginge es hier mehr um die Lebensaufgaben einiger AktivistInnen, die in diesem "LGBTIQ" Kult ihren Lebenssinn finden. Allein der dämliche Begriff "LGBTIQ", als seien wir eine einheitliche Gruppe von Robotern, die sich alle gegenseitig mögen und miteinander solidarisieren, ist Kern des Problems. Der Begriff und der "Kult" um diesen Begriff geht mittlerweile mit Recht den meisten Menschen, auch Schwulen, auf die Nerven.

    • @Vincent Berger:

      Ist die "Community", die es gar nicht gibt, nicht auch entstanden aus der Erfahrung von Diskriminierung und Gewalt?

      Muss ich Ihnen ja nicht erzählen, Stone Wall Inn und so weiter.

      Und ist es dem Schwulen- und Lesben-Hasser nicht egal, ob Sie erfolgreich im Beruf sind oder Hartz IV bekommen, wenn er Sie attackiert?

      Dass Sie etwa in Neukölln nur unter äußerst schwierigen Bedingungen Händchen-haltend Spaziergehen können und dass das für Schwule und Lesben und Transmenschen generell gilt, hat das nicht etwas, wenn auch unschönes, verbindendes?

      Und hätte es die "Community" tatsächlich nie gegeben, wie wäre dann wohl heute die Gesetzgebung?

  • Das ist ein bißchen dünn. Zunächst, was genau sind LGBTIQ Menschen? Hier wird getan, als ob jeder das sofort zu verstehen und zu akzeptieren hat. Finde den Fehler. LGBTIQ-Menschen sind überdurchschnittlich qualifiziert, sagt die Studie. Gemäß dem verlinkten Artikel sind LGBTIQ-Personen im Schnitt besser ausgebildet als der Rest der Bevölkerung. Genau genommen sind sie es im Sozial- und Gesundheitswesen, das war es dann auch schon. In anderen Branchen sind sie entweder nicht vorhanden oder deutlich unterrepräsentiert. Sie sind also, folgt man dem Artikel, allein indem sie in anderen Branchen auftreten, bereits dadurch besser qualifiziert. Finde den Fehler. Zum Schluß, wer genau interessiert sich für derart einseitig hervorgehobene Studien, ich nicht. Ich schreibe das, ohne selbst etwas direkt gegen LGBTIQ-Personen zu haben. Mit so dünnen Argumenten muß man sich nicht als besserer Mensch hervortun, mein Eindruck.

    • @Picard:

      Wer unter LGBTIQ zu rechnen ist, wird in der Studie klar definiert. Bei der höheren Qualifikation geht es um Schul- und Hochschulabschlüsse. Die sind von der Berufswahl unabhängig.



      Fehler gefunden: Studie nicht gelesen, trotzdem Kommentar geschrieben.



      Und wer spricht von "besseren Menschen"? Keiner außer Ihnen.

    • @Picard:

      Inwiefern ist denn die Studie einseitig erhoben? Welche Seiten sollten hier denn noch erwähnt werden?

  • Zitat: „Basis der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Identität ist die selbstverständliche Annahme, dass mein Gegenüber Hetero und Cis-Mann oder Cis-Frau ist.“

    Diese Annahme allein wäre vermutlich gar kein Problem. „Hoppla!“ würden Menschen, die auf amtlichen Formularen nie etwas vermisst haben zwischen dem männlich- und dem weiblich-Kästchen, vielleicht denken, wenn sich irgendwer als Weder-noch-Mensch outet. Und dann würden sie entweder neugierig nachfragen, wie das so ist, oder zur Tagesordnung übergehen. Leider steht einem solch lockeren Umgang mit Andersartigkeit etwas im Weg: Das binäre Denken, das Profit einbringt.

    Seit mindestens 5.000 Jahren wurden Menschen darauf konditioniert, zu unterscheiden: WIR und DIE. DIE gelten dabei als potentiell gefährlich. Sie können beispielsweise kriminell sein, ansteckend oder „Spaltpilze“. Selbst dann, wenn sie mit Waren handeln, die WIR gern hätten, oder uns irgendwelche Dienste leisten, müssen WIR sie sehr genau im Auge behalten. Da in Gesellschaften, die mehr als ein paar Dutzend Mitglieder haben, allerdings von außen nicht immer zweifelsfrei festzustellen ist, wo die Grenze zwischen UNS und DENEN verläuft, müssen Merkmale her. Eine Haut-, Haar- oder Augenfarbe etwa, ein Geschlecht oder eine Sprachfärbung. Eine sexuelle Orientierung tut’s zur Not aber auch. Hauptsache, die Angst fühlt sich nicht völlig meschugge an, sondern berechtigt. Das beste daran aber ist: Die anderen, potentiell bösen, darf man offiziell ausbeuten.

    Die Angst der LGBTIQ-Menschen vor Ausgrenzung und Stigmatisierung ist also berechtigt. Am Arbeitsplatz sogar besonders, weil Arbeit existenziell ist. Wer eine Wahl hat, ist da klar im Vorteil. Und warum sollte hier und heute jemand einen Vorteil zugunsten eines anderen aufgeben, wenn der das nicht verdient hat? Weil der Klügere so lange nachgibt, bis er der Dumme ist?