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Diskriminierung in der SchuleDie kleinen Biester

Meine kleine Tochter Hatice ist mitsamt ihrem ausländischen Namen und ihren schwarzen Haaren eingeschult worden. Ich befürchtete das Schlimmste.

Probleme mit Diskriminierung in der Schule sind keine Seltenheit: Demonstration im Mai 2023 vor dem Schulamt in Cottbus Foto: Patrick Pleul/dpa

D ass meine kleine Tochter Hatice irgendwann doch zur Schule gehen muss, konnte ich nicht verhindern. Ich sag ja immer, zu viel Demokratie ist auch nicht gut. Mit manchen Gewohnheiten können die Menschen leider nicht so leicht brechen, sei es noch so gesundheitsschädlich. Wie Rauchen, Alkohol, Schule oder Ehe.

„Die vielen kleinen Biester werden Hatices zarte Kinderseele brutal verletzen“, seufzte ich.

„Wenn sie irgendwann später als alte Oma die Schulbank drücken muss, würden die kleinen Biester sie erst recht fertig machen“, argumentierte meine Frau Eminanim und schickte sie kaltlächelnd zur Schule.

Ich konnte von zu Hause aus regelrecht hören, wie Hatice wegen ihrer schwarzen Haare und ihres ausländischen Namens permanent gehänselt und beleidigt wurde.

Am Nachmittag holte ich sie total verheult von der Schule ab. Nicht sie ist total verheult, sondern ich.

„Papa, siehst du diesen Malte-Leon da vorne?“, fragte sie mich.

„Ich wusste es doch! Er hat dich beleidigt, nicht wahr? Warte hier, das wird er sofort büßen“, rief ich.

„Spinnst du, Papa? Der Malte-Leon ist sehr nett und hat mich bloß zu seinem Geburtstag eingeladen.“

„Und wegen deiner Haare? Was hat er wegen deiner schwarzen Haare gesagt?“

„Das war der Maximilian-Philipp.“

„Wo ist der Kerl? Zeig ihn mir! Der ist jetzt fällig!“

„Wieso das denn? Der Maximilian-Philipp findet meine Haare total süß. Er wünscht sich auch schwarze Haare mit Locken, sagte er.“

Hatice log bis sich die Balken biegen, um mir gegenüber nicht zuzugeben, dass sie bereits am ersten Tag brutal gemobbt und vor der ganzen Klasse rassistisch beleidigt wurde.

Am nächsten Tag holte ich sie wieder von der Schule ab.

„Hatice, sag schon, wer war es diesmal?“, stammelte ich verzweifelt.

„Diesmal war es der da, Papa, Benjamin-Bastian.“

„Warte hier. Ich zeige dem kleinen Rassisten mal, was eine Harke ist!“

„Nennt man die Jungs, die Geburtstage haben, Rassist, Papa?“

„Wie bitte? Hat der dich etwa auch zum Geburtstag eingeladen?“

„Ja. Und dieser andere Rassist dort, Alexander-­Ben-Luca, hat mich auch zum Geburtstag eingeladen, Papa.“

Es dauerte vier Wochen, bis Hatice nicht mehr konnte und als ein seelisches Wrack zum Schulpsychologen laufen musste.

„Herr Engin, so geht es mit Ihrer Tochter nicht weiter“, sagte Dr. Dr. Breitschuh-Schmalfuß.

„Ich weiß. Ein kleines türkisches Mädchen gehört nun mal nicht in die Schule. Aber erzählen Sie das ihrer ignoranten Mutter“, gab ich ihm natürlich recht.

„Herr Engin, Sie sollten endlich aufhören, ihre Tochter zu terrorisieren, wie rassistisch ihre Schulkameraden sind“, brüllte er mich an.

„Sind sie das denn etwa nicht?“, stammelte ich verwirrt.

„Wie denn? 80 Prozent der Kinder stammen selbst aus Migrantenfamilien.“

„Sie haben ja keine Ahnung, wie rassistisch die Migranten sein können“, entgegnete ich.

„Papa, ich schäme mich für meinen ­Namen“, schluchzte Hatice plötzlich.

„Herr Dr. Dr. Breitschuh-Schmalfuß, haben Sie das gehört? Ich wusste es doch! Was meinen Sie wohl, weshalb sie sich für ihren türkischen Namen schämt?“, triumphierte ich.

„Papa, in der Schule haben alle Kinder so schöne Doppelnamen. Sogar dieser Kerl hier. Nur ich nicht. Ab jetzt heiße ich Hatice-­Fatima.“

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