Diskriminierung in Berliner Freibad: Das Outsourcing muss enden
Die willkürliche „Türpolitik“ im Strandbad Grünau zeigt: Die landeseigenen Bäderbetriebe müssen alle Schwimmbäder endlich wieder selbst betreiben.
D ass viele Berliner*innen eine Kiezmentalität pflegen, ist bekannt und auch gar nicht zu beklagen. Problematisch wird es allerdings, wenn öffentliche Einrichtungen eine solche Horizontverengung zum Programm machen, wie es nun im Fall des Strandbades Grünau in Köpenick bekannt wurde.
Der Tagesspiegel hatte Anfang der Woche zuerst darüber berichtet, dass Gäste dort schon mal abgelehnt werden, wenn sie nicht in der Nähe des Bades ihren Wohnsitz haben. Der B.Z. wiederum wurde nach eigener Darstellung von Security-Mitarbeitenden sogar eine Liste mit „erlaubten“ Postleitzahlen gezeigt. Besonders betroffen seien wohl Menschen mit – angenommenem – Migrationshintergrund und auch jene, die aus Kiezen kommen, die stark migrantisch gesprägt sind, sagte die linke Abgeordnete Elif Eralp der taz.
Der private Pächter des Strandbads dementiert die Vorwürfe nicht. In einer Erklärung aus dem Jahr 2021 hat er sich explizit als „Unternehmen mit regionalem Bezug“ bezeichnet.
Politiker*innen der rot-grün-roten Regierungskoalition wie Eralp sprechen nun berechtigterweise von Diskriminierung und fordern die Bäderbetriebe (BBB) auf, mit den Pächtern ein sehr ernstes Wort zu reden, schließlich hätten die BBB den Vertrag abgeschlossen. Natürlich müssen die Bäderbetriebe das tun – und auch sonst alles, um diese Ungleichbehandlung von Gästen zu verhindern. Doch das ist nur eine Seite der Medaille.
Zehn der elf Strandbäder – also Freibäder an innerstädtischen Gewässern – sind laut einer BBB-Sprecherin verpachtet; einzig das große, denkmalgeschützte Bad am Wannsee ist noch ganz unter Kontrolle des landeseigenen Unternehmens. Dass die Bäder – neudeutsch – outgesourced wurden, ist nicht neu. In den Nullerjahren, als Berlin praktisch pleite war und landeseigenes Tafelsilber en masse verscherbelte, war sogar geplant, auch Hallenbäder zu verpachten.
2008 gewährte der damalige rot-rote Senat, den Freibadbetreiber*innen längere Pachtlaufzeiten, um ihnen größere Sanierungen schmackhaft zu machen. Freibäder, so die Überzeugung damals, gehörten nicht mehr zur Grundversorgung der Berliner*innen – die zum Beispiel nötig ist, damit alle zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, Schwimmen zu lernen.
Inzwischen hat sich der Wind gedreht: Ein guter Teil der zumeist erst vor knapp zwei Jahrzehnten verschacherten Infrastruktur wurde für sehr viel mehr Geld zurückgekauft, darunter die Wasserbetriebe und das Stromnetz. Rekommunalisierung lautet der politische Auftrag, dem sich auch Rot-Grün-Rot verpflichtet sieht.
Bei den Schwimmbädern passiert wenig
Für die Bäderbetriebe gilt dieses Bekenntnis bisher offenbar nicht. Zwar wird immer mal wieder der Bau eines Freibads von der Politik in die Runde geworfen, etwa in Marzahn-Hellersdorf, dem einzigen Bezirk, der kein einziges Bad dieser Art hat.
Aber weder werden diese Vorschläge, die recht häufig aus Reihen der regierenden SPD stammen, mit der notwendigen Vehemenz vorangetrieben. Noch werden die Bäderbetriebe mit dem nötigen Geld ausgestattet, um die für die Betreiber*innen finanziell riskanten Verpachtungen perspektivisch zu beenden und die Strandbäder nicht nur zu besitzen, sondern auch auch zu betreiben.
In diesem Fall würde zum einen das Antidiskriminierungsgesetz des Landes greifen und eine Türpolitik wie in Grünau grundsätzlich ausschließen. Zum anderen sollte nach diesem erneuten Hitze- und Dürresommer allen Regierungsparteien klar sein, dass eben auch die Strandbäder zur Grundversorgung der Berliner gehören – vielleicht nicht unbedingt zum Schwimmenlernen, aber zumindest zur Abkühlung bei tropischen Temperaturen. Entsprechend gehört diese Grundversorgung in Landeshand.
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