Diskriminierung beim Ausländeramt: AK Asyl muss draußen bleiben

Die Göttinger Ausländerbehörde verweigert Flüchtlingen das Recht, bei einem Termin einen Beistand und Dolmetscher des AK Asyl mitzubringen.

Nicht jeder Flüchtling ist der deutschen Sprache mächtig: Schild auf Deutsch und Russisch. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das deutsche Verwaltungsverfahrensgesetz sieht es ausdrücklich vor. Und in der Regel sind Sachbearbeiter einer Behörde froh, wenn Flüchtlinge ohne gute Deutschkenntnisse einen Beistand und sogar eine Dolmetscherin zum Behördentermin mitbringen. Die Leitung der Göttinger Ausländerbehörde sieht das offenkundig anders: Als Asylbewerber Okono John* am Montag einer Vorladung der Ausländerbehörde Folge leistete, schickte der Sachbearbeiter Johns Beistand und die Dolmetscherin wieder vor die Tür. Begründung: Sie seien Aktivisten des Arbeitskreises (AK) Asyl in Göttingen. Nun beschäftigt der Vorgang das Verwaltungsgericht Göttingen.

Der 26-jährige Okono John ist aus der Elfenbeinküste geflohen und lebt in Göttingen. Aktuell prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Antrag auf Asyl. Für Montag hatte ihn die Göttinger Ausländerbehörde vorgeladen. Dort erschien er in Begleitung einer Dolmetscherin für Französisch und mit einem Mitglied des AK Asyl.

In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik des AK Asyl an der Stadt Göttingen gegeben, dass es aus Mangel an Dolmetschern bei der Verlängerung der Duldungen zu Verspätungen gekommen sei, weil wichtige behördliche Informationen weiterhin ausschließlich auf Deutsch kundgetan wurden.

Der Stadt Göttingen sind 2014 mehr als 350 Flüchtlinge zugewiesen worden. Seitdem kommen wöchentlich 20 Flüchtlinge hinzu, die oftmals der deutschen Sprache nicht mächtig sind und das Asyl- und Rechtssystem nicht kennen.

Laut Paragraf 14 Verwaltungsverfahrensgesetz gilt für Behördenbesuche: "Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt."

Deshalb sind die Mitglieder des AK Asyl dazu übergegangen, Flüchtlinge bei der Verlängerung ihrer Duldung zu begleiten. „Der Konflikt hat sich dann eine Zeit lang aufgebauscht“, sagt ein Sprecher des AK Asyl. Als Ende Februar gleich mehrere Flüchtlinge sich ihre Duldungs-Verlängerung in Begleitung abholen wollten, wurden der Zutritt verwehrt.

„Wir wurden weggeschickt und die Duldungen der Betroffen auf dem Flur einfach eingesammelt und ihnen gesagt, sie sollen einen Termin ausmachen“, sagt der AK Asyl-Sprecher. Falls sie von der Polizei ohne Duldungspapiere aufgriffen würden, so der Hinweis an die Flüchtlinge, solle die Polizei in der Ausländerbehörde anrufen.

Diese Praxis setzte sich in den vergangenen Wochen fort. Lediglich in Einzelfällen wurde ein Dolmetscher zugelassen. Anfangs wurde das Zutrittsverbot verklausuliert mit Sicherheitsbedenken begründet. „Das ist natürlich Quatsch, die haben einen eigenen Sicherheitsdienst im Haus“, sagt der AK Asyl-Sprecher. Vielmehr habe sich die Behörde geärgert, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangten oder Ressentiments, wie: „wer nicht deutsch kann, hat eben Pech gehabt“, bekannt wurden. Zuletzt wurde offen eingeräumt, dass man Mitglieder des AK Asyl nicht mehr dulde. Einer Dolmetscherin sei dem AK Asyl zugeordnet worden, nur weil sie nachgefragt habe.

„Mit dem Konflikt zwischen dem AK Asyl und der Ausländerbehörde der Stadt Göttingen um den Umgang mit geflüchteten Menschen muss sich nun das Verwaltungsgericht Göttingen beschäftigen“, sagt der Göttinger Anwalt Sven Adam, der Dienstag für Okono John Klage eingereicht hat.

Der auch in Niedersachsen anwendbare Paragraf 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes erlaube es, zu den Terminen bei Behörden einen Beistand mitzunehmen, sagt Adam. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Regelung bei der Stadt unbekannt ist.“ Es könne zwar tatsächlich Gründe geben, konkrete Personen als Beistände abzulehnen. „Kritik an der Behörde oder die Mitgliedschaft in einem Arbeitskreis gehören aber nicht dazu“, sagt Adam.

Der Stadt Göttingen ist die Klage zwar noch nicht bekannt, gibt aber den Schwarzen Peter schon jetzt zurück. Es habe in der Vergangenheit mehrfach unerfreuliche Erfahrungen gegeben, wenn der AK Asyl mit mehreren Mitgliedern einen Klienten begleiten und sich dabei mit massivem Körpereinsatz Zugang zu Büros verschaffen wollte, sagt Göttingens Pressesprecher Detlef Johannson. „Das können und werden wir im Interesse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zulassen.“

Es gebe von der Stadt ein Gesprächsangebot, wie eine „angemessene Begleitung“ von Flüchtlingen durch den AK Asyl aussehen könnte. „Es gibt überhaupt keine Bedenken, wenn sich Klienten unserer Ausländerbehörde durch Personen ihres Vertrauens begleiten lassen“, beteuert Stadtsprecher Johannson „Im Gegenteil: Das hilft uns bei unserer Arbeit.“

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