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„Discover Football“ in BerlinEs steht viel auf dem Spiel

Kann Sport ein Werkzeug für soziale Veränderungen sein? Ja, meint Juliana Lozano und will es beim Frauenfußball-Festival „Discover Football“ zeigen.

Trainerin und Aktivistin: Juliana Roman Lozano Foto: Tigran Petrosyan

Berlin taz | Von der Tribüne des Willy-Kressmann-Stadions im Berliner Stadttteil Kreuzberg schaut sie sich genau an, wie gut die Mädchen mit dem Ball umgehen. Sie bewertet Agilität und Schnelligkeit, aber auch die Teamarbeit. Juliana Roman Lozano ist Fußballtrainern, Feministin und eine Kämpferin für die Selbstbestimmung. „Bis jetzt spielen die Mädchen gut“, sagt sie mit einem zufriedenen Blick. Seit dem 30. Juli findet im Viktoriapark das internationale Frauenfußball-Festival „Discover Football“ statt.

Die 34-jährige Kolumbianerin hat sich ihr ganzes Leben dafür engagiert, oft aber auch im wahrsten Sinn des Wortes „Krieg geführt“, damit Mädchen und Frauen Fußball spielen können. Juliana Roman Lozano wurde in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá geboren. Als in den 1990er Jahren die Drogenkriminalität rasant stieg, bedrohten Dealer auch ihre Familie. Im Alter von neun Jahren wanderte sie mit ihren Eltern und dem älteren Bruder nach Schweden aus. Fünf Jahre später kehrten sie zurück. Für ihre Landsleute, so Lozano, ist sie kein „richtiges Mädchen“ mehr. Eine Fußballspielerin, „das ist eine Lesbe mit starken Muskeln“.

Mit 19 Jahren verließ sie Kolumbien und ging nach Argentinien, um ihren Traum, profes­sio­nell Fußball zu spielen, zu verwirklichen. Beim Fußballverein River Plate in Buenos Aires bildete sie sich zur Trainerin weiter. In Argentinien, erzählt sie, seien die Möglichkeiten besser als in Kolumbien, jedoch seien die Machos-Latinos auch dort präsent. „Die Teilhabe von Mädchen und Frauen am Fußballsport ist auf dem gesamten Kontinent wegen der patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen begrenzt.“

In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Lage in Argentinien verbessert. Lozano hat dafür eine Erklärung. Argentinien war das erste südamerikanische Land, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare 2010 einführte. Seit 2012 gibt es in Argentinien ein Gesetz für Transgender. „Alle diese Reformen tagen dazu bei, dass auch der Frauenfußball sich entwickelt“, sagt sie.

„Wir werden dafür weiter kämpfen“

Juliana Lozano tritt auch für die Entkriminalisierung der Abtreibung ein. „Jede Frau muss einen freien und kostenlosen Zugang zur Abtreibung haben“, sagt sie. Ihr Motto: „Mein Körper, meine Entscheidung.“ Anfang Juni letzten Jahre jubelte sie mit einer Million Menschen in Buenos Aires, als dessen Abgeordnete für eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stimmen. Doch zwei Monate später scheiterte das Gesetz im Senat.

„Wir werden dafür weiter kämpfen“, sagt sie. „Besonders arme Frauen lassen oft geheim und ohne medizinische Hilfe abtreiben. Was auf dem Spiel steht, ist das Leben der Frau“, sagt sie.

Sie ist überzeugt, dass Feminismus etwas im Frauenfußball bewegt, deswegen ist sie Mitglied der Organisation „La Nuestra Fútbol Femenino“ (Unser Frauenfußball). Der Kampf für den Frauenfußball geht in die nächste Runde. Die „Villa 31“ ist die größte Elendssiedlung in der Innenstadt von Buenos Aires. Dort hat sie mit ihren MitstreiterInnen einen Fußballplatz erobert. Die Männer erlaubten den Frauen nicht, dort zu spielen, und bewarfen sie mit Steinen. Der Kampf dauerte zwei Jahre, bis sie 2009 eine Vereinbarung trafen. Die Frauen dürfen an drei Tagen in der Woche kicken. „Das war ein rein männlicher Bereich. Sie fühlten sich von uns bedroht, weil Fußball ein Synonym für Männlichkeit ist“, sagt sie.

Ihre Erfahrungen einer Revolution in der patriarchalischen Herrschaft, wie sie sagt, bringt sie nach Berlin mit. Fußball ist für sie auch ein Werkzeug für gesellschaftliche Veränderungen. Das will sie den TeilnehmerInnen des Berlin-Festivals, die aus vielen Ländern kommen, vermitteln. „Wir müssen uns unseren Platz erkämpfen sowohl beim Fußball als auch im Leben.“

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2 Kommentare

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  • Zitat: „Das war ein rein männlicher Bereich. Sie fühlten sich von uns bedroht, weil Fußball ein Synonym für Männlichkeit ist“

    Himmel! Wie kann man nur dermaßen an Symbolen hängen?

    „Wann ist der Mann ein Mann?“, hat mal ein deutschlandweit bekannter Musiker gefragt. Beantwortet hat er sich seine Frage der Einfachheit halber gleich selber. Mit lauter Symbolen. Männer, heißt es da etwa, „führen Kriege“ und sind „schon als Babys blau“. Und Fußball spielen Männer halt auch. Wenn sie das aber nicht wollen oder nicht können, müssen sie wenigstens zugucken dabei. Anfeuern dürfen sie natürlich nur „ihresgleichen“. Nur, das keine Irritationen auftreten…

    Mag sein, dass Frauen sich ihren „Platz erkämpfen“ müssen. Sowohl beim Fußball als auch im Leben. Die Frage ist nur: Wie soll frau kämpfen? Genau wie der Mann oder doch etwas anders?

    Ich finde ja: anders. Denn wenn Frauen kämpfen wie Männer es tun, werden sie da enden, wo Männer jetzt sind. Es ist ja nicht so, dass ausschließlich Frauen die Männer verbogen haben. Das waren schon andere Männer. Zumindest teileise. Männer, die kaum je ein Mann hinterfragt hat. Weil sie ja Fußball gespielt oder Fußball geguckt haben – und weil sie „es“ konnten, auch wenn sie nicht wirklich gedurft oder gesollt haben.

    Männer verstehen nur Brutalität? Glaube ich nicht. Ich kenne auch andere. Sehr viele andere. Mehr andere, als ich Arschlöcher kenne. Ohne die Arschlöcher geht es. Ohne die anderen nicht.

  • Für mich ist Fußball ein Werkzeug der Umverteilung. Wie sieht es bei den Frauen aus? Die soziale Gerechtigkeit kam im Beitrag ja nicht vor. Wollen sie in der Beziehung auch nur erfolgreich und reich werden?