Direkte Demokratie in den Medien: Mehr Werbung für Volksentscheide
Die Initiative Wassertisch beschwert sich über unausgewogene Berichterstattung - vor allem im Fernsehen. Kostenlose Werbung wie vor Wahlen halten Grüne, Linkspartei und CDU für denkbar.
Der Vorwurf der Initiative Wassertisch steht seit dem Start des Volksbegehrens über die Offenlegung der Wasserverträge im Raum: Die Berliner Medien würden das Anliegen der Initiative sehr viel stiefmütterlicher behandeln als die vorangegangenen Volksentscheide zu den Themen Religionsunterricht und Zukunft des Flughafens Tempelhof.
In einem Brief an die Intendanz des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) konkretisiert nun ein Rechtsanwalt des Wassertischs die Vorwürfe: Die Rundfunkanstalt würde ihre Informationspflichten "gravierend verletzen", teilweise auch desinformieren. In dem Schreiben werden unter anderem fehlende Links zur Internetseite des Wassertischs bemängelt, während die Seiten der privaten Anteilseigner und des Landes verlinkt seien. Darüber hinaus habe es im Vorfeld des Tempelhof-Volksentscheids eine Sondersendung gegeben, das sei beim anstehenden Entscheid nicht geplant.
Der rbb weist die Vorwürfe zurück: "Der rbb hat kontinuierlich über das Anliegen berichtet", sagt Sprecher Justus Demmer. Innerhalb des vergangenen halben Jahres sei es allein 20-mal in der "Abendschau" und bei rbb aktuell Thema gewesen. Für eine 45-minütige Sondersendung sehe man jedoch keinen Anlass. "Wir glauben, dass die Argumente ausgetauscht und in der Stadt bekannt sind." Zutreffend sei allerdings, das der Link auf die Seite der Initiatoren gefehlt habe. "Das haben wir korrigiert."
Die Berliner sind am 13. Februar zum dritten Volksentscheid seit 2008 aufgerufen. Sie können darüber abstimmen, ob alle Verträge und Absprachen zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe offengelegt werden müssen. Die Privatisierung gilt als ein Grund für die hohen Wasserpreise in Berlin. Der Senat hat im Herbst zwar 700 Vertragsseiten ins Internet gestellt, die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch glaubt jedoch, dass noch nicht alles auf dem Tisch liegt.
Erfolg hat der Entscheid, wenn die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich ein Viertel aller Abstimmungsberechtigten mit "Ja" votieren. Notwendig sind damit rund 617.000 Jastimmen.
Wer am Sonntag keine Zeit hat, kann bis zum morgigen Freitag Briefwahl beantragen oder sein Kreuz direkt in einer Briefwahlstelle machen. Infos sowie eine Wahllokalsuche unter wahlen-berlin.de. Hier lässt sich auch die Briefwahl beantragen. (taz, dapd)
Die Debatte wirft eine grundsätzliche Frage nach der öffentlichen Information zu Volksentscheiden auf. So gibt es beispielsweise im Vorfeld von Wahlen Vorschriften, die Parteien in den öffentlich-rechtlichen Sendern Zeit für kostenlose Spots einräumen. In Berlin ist das zwar eine freiwillige Regelung, dennoch hat der rbb in der Vergangenheit Sendezeit zur Verfügung gestellt. Wäre eine entsprechende Regelung im Vorfeld eines Volksentscheides realistisch?
"Grundsätzlich greift so etwas natürlich massiv in die Autonomie der Rundfunkanstalt ein", sagt Alice Ströver, medienpolitische Sprecherin der Grünen. Trotzdem hält sie den Vorschlag für "eine gute Idee". Ströver weist darauf hin, dass dieses Recht sinnvollerweise "nicht für jeden bezirklichen Entscheid" gelten solle und auch erst, wenn ein Volksbegehren erfolgreich war und der Entscheid ansteht. Auch Martina Michels von der Linkspartei findet die Idee sympathisch. "Man müsste eben sicherstellen, dass das Für und Wider abgebildet wird, also beide Seiten zu Wort kommen."
Zurückhaltender äußert sich Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie. "Generell habe ich den Eindruck, dass die öffentlich-rechtlichen Medien relativ ausgewogen berichten", sagt er. Unausgewogene Berichterstattung habe er eher bei den privaten Medienbetrieben wahrgenommen. Doch nicht nur deshalb steht Efler der Idee skeptisch gegenüber: "Man sieht beispielsweise in den USA, dass diese Art von Werbung meist eine Verkürzung ist. Sie dient der Stimmungsmache und Emotionalisierung, vermittelt aber kaum Informationen."
Frank Zimmermann, medienpolitischer Sprecher der SPD, lehnt eine entsprechende Regelung ab. Die Wahlwerbung von Parteien leite sich aus dem Parteienprivileg im Grundgesetz ab - und das erstrecke sich nun mal nicht auf Initiatoren von Volksentscheiden. Dagegen findet die CDU die Idee gut. "In der letzten Stufe, also vor dem Volksentscheid, kann ich mir durchaus vorstellen, dass der Initiator ein oder zwei Spots bekommen sollte", sagte Christian Goiny, medienpolitischer Sprecher. Weitere Spots, die etwa noch die Sichtweise des Senats oder des Abgeordnetenhauses darstellen, hält er aber nicht für sinnvoll. "Dann müsste man im Prinzip jede Partei berücksichtigen", und das würde dann doch ausarten.
Ströver weist auf ein weiteres Problem hin: "Das heißt natürlich, dass bei den Initiatoren auch Geld da sein muss." Denn selbst, wenn es die Sendezeit kostenlos gebe, müsse so ein Spot erst einmal produziert werden.
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