Digitalisierung der Arbeitswelt: Robocop trifft Zahlemann
Mehr Produkte, weniger Handarbeit. Die Digitalisierung setzt Arbeitskraft frei. Vor allem Firmen profitieren davon. Zeit für ein neues Steuersystem?
Gibt es denn keine Hoffnung? Doch, ein bisschen.
Ach, wirklich? Nein, eigentlich doch nicht.
Ja, was denn nun?
Also: Tatsächlich diskutieren derzeit wieder viele Experten erhitzt über die Einführung einer sogenannten Robotersteuer. Das ist ein Modebegriff für eine alte Idee, die schon unter verschiedenen Schlagwörtern kursierte: Maschinensteuer etwa oder Wertschöpfungsabgabe. Das Anliegen: nicht nur die Arbeitskraft der Menschen zu besteuern, sondern die industrielle Wertschöpfung an sich. Der Hintergedanke: Wo Unternehmer finanziell profitieren, weil sie Arbeitskräfte entlassen, soll vom Produktivitätsgewinn wenigstens ein Anteil in die Staatskassen fließen.
Sozialsysteme verkraften das nichtt
Zur Debatte steht diese Idee derzeit wieder, weil etwa der neue österreichische Bundeskanzler Christian Kern, ein Sozialdemokrat, die Idee erneut ins Spiel gebracht hatte. Es sei fraglich, so Kern, ob die Sozialsysteme künftig allein durch Lohnarbeit aufrechterhalten werden könnten.
Beifall klatschte auch der Vorstandschef der Deutschen Post. Frank Appel appellierte dafür, auf die Besteuerung von Menschenarbeit zu verzichten. Kein Wunder angesichts der vielen PostbotInnen, für die die Post trotz massiven Outsourcings Sozialabgaben zahlt.
Der Ruf nach einer sogenannten Automatisierungsdividende bewegte auch progressive Kreise in den vergangenen Jahren immer wieder. So forderte etwa Frank Rieger, Unternehmer, Publizist und Mitglied im Chaos Computer Club, 2012 in der FAZ: „Wenn uns Roboter und Algorithmen in der Arbeitswelt ersetzen, sollten sie auch unseren Platz als Steuerzahler einnehmen.“ Auch im Bundestag stand das Thema kürzlich auf der Tagesordnung. Der Ausschuss „Digitale Agenda“ lud Experten zur Anhörung. Allerdings: Die meisten von ihnen sind skeptisch, dass der Einsatz von Technologie angemessen besteuert werden kann: Wie definiert sich eigentlich Robotik? Und wie künstliche Intelligenz?
Herzkammer des Kapitalismus
Neben diesen handwerklichen Fragen steht einer Automatisierungsdividende jedoch ein viel größeres Dogma im Weg. Vereinfacht gesagt: Wer die Produktivität besteuert, stellt damit prinzipiell auch die Herzkammer des Kapitalismus insgesamt in Frage: das Wachstum. Auch wenn unter kapitalismuskritischen und grünennahen Kreisen seit Jahren Konzepte von Wachstumsbremsen und -stopps diskutiert werden: Die deutsche Industriepolitik lässt das unbeeindruckt.
Und deshalb scheint es auch derzeit wenig aussichtsreich, dass für die Idee einer Automatisierungsdividende auch parlamentarische Mehrheiten zustande kommen. Eine allgemeinere Antwort, dem Problem zu begegnen, wurde ebenfalls verworfen: das allgemeine Grundeinkommen, das soziale Verwerfungen zumindest grob abfedern könnte. Auch dafür gibt es keine parlamentarische Mehrheit. Wer eine Dividende haben will, muss also – logisch – an die Börse gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden