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Digitalgipfel der BundesregierungAltmaiers Gaia-Theorie

Eine europäische Datenplattform soll europäische Firmen unabhängig von den USA und China vernetzen. Wer Zugriff hat, weiß, was läuft.

Europäischer Datenschutz: Wirtschaftsminister Altmaier setzt auf eigene Cloud Foto: Bernd Thissen/dpa

Berlin taz | Der Name klingt geheimnisvoll und romantisch. Als Buchtitel würde er gut in die Esoterik- oder die Ufo-Ecke passen. Doch „Gaia X“ ist ein ernstgemeintes Programm des Bundeswirtschaftsministers: Peter Altmaier (CDU) will damit die Vernetzung der Firmen in Europa auf eigene Füße stellen.

„Wir wollen Abhängigkeiten reduzieren“, fasst er nun in seinem Positionspapier zusammen. Eigentlich wollte er es am Dienstag auf dem Digitalgipfel in Dortmund vorstellen, hatte dann aber doch keine Gelegenheit, das Vorhaben näher zu erläutern. Der Minister war nach der Eröffnungsrede des Digitalgipfels von der Bühne gestürzt und musste erst einmal ins Krankenhaus.

Ohne das persönliche Gespräch mit dem Minister fehlt nun jedoch ein entscheidender Hinweis auf die Motivation hinter dem Vorstoß – abgesehen davon, dass die ursprüngliche Idee im Frühjahr von Industrievertretern bei einem Meeting der Plattform „Industrie 4.0“ gekommen sein soll. Der Entwurf für eine europäische Digitalpolitik nennt die entscheidenden Rivalen nicht beim Namen. Doch es ist klar, wen Altmaier hier im Sinn hat: Die beiden größten Volkswirtschaften USA und China dominieren mit ihren gigantischen IT-Firmen auch das Geschäft mit der Speicherung und Verarbeitung von Daten deutscher Unternehmen. Damit betreiben sie das Nervensystem der künftigen Produktionsweise.

Altmaier will ein Gegenmodell schaffen. Für europäische Bürger und Firmen soll europäischer Datenschutz gelten. Dazu müssten Anbieter in der EU gefördert und gestärkt werden. Dazwischen soll der Staat eine Art eigenes Netz spannen. Die einzelnen Firmen und Geräte werden nach Altmaiers Vorstellung dann zu „Gaia-X-Knoten“.

Wer sie sabotiert, legt alles lahm

In der schönen neuen Datenwelt schraubt nicht einfach jedes Unternehmen einzeln mit seinen Maschinen an den Produkten herum. Jedes Einzelteil lebt und kommuniziert. Eine Maschine kann beispielsweise Daten zu jedem hergestellten Werkstück in der Cloud ablegen. „Cloud“ ist dabei ein neumodisches Wort für die verteilte Speicherung von Daten in Rechenzentren. Die Hausbank des Unternehmens kann nun beispielsweise auslesen, wie viel die Maschine jeden Monat herstellt, um die Kreditrückzahlung nutzungsabhängig anzupassen. Die Vernetzung erlaubt in diesem Beispiel also neue Finanzierungsmodelle. Der Kunde kennt bereits im Voraus die Lieferfrist und Qualitätsdaten des Teils.

Zugleich bedeutet diese Vision aber: Wer Zugriff auf diese Netze hat, weiß alles, was läuft. Und wer sie sabotieren kann, legt das gesamte Wirtschaftsleben lahm. Diese Szenarien erscheinen heute realer denn je. „Der Cloud Act, ein Gesetz in den USA, ist ausdrücklich dafür geschaffen worden, um US-Diensten den Zugriff auf Daten zu ermöglichen, die bei amerikanischen Cloudanbietern liegen“, sagt Olaf Schleichert, Leiter des Data Analytics Institute bei der Unternehmensberatung Deloitte.

Das gilt auch, wenn die Daten außerhalb der USA gespeichert sind. Eine Firma wie Microsoft muss also den US-Behörden auf Anfrage auch Daten eines deutschen Unternehmens herausrücken, dessen Daten in Deutschland lagern.

Das Problem sind die Fachkräfte

Die Cloud-Marktführer sitzen eben nicht in Europa. Die weltweite Nummer eins ist hier Amazon mit seiner Rechenzentren-Sparte AWS. Den Analysten des Technikdienstes Gartner zufolge kommen auf den folgenden Plätzen Microsoft, der chinesische IT-Riese Alibaba, Google und IBM. Hier zeigt sich ein Schwachpunkt des Altmaier-Vorstoßes: Firmen wie Google, Alibaba oder Amazon kann er nicht einfach herbeibefehlen. Zugleich ist das Technikwissen dieser Giganten unschlagbar. Bei ihnen arbeiten Zehntausende der besten Informatiker – in Zeiten des Fachkräftemangels ist das kaum nachzuahmen.

Andererseits zeigt es auch, dass ein industriepolitischer Eingriff überfällig ist, wenn Europa nicht reines Opfer der aggressiveren Weltmächte sein will. „Wenn Gaia X zum Erfolg werden soll, muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte Achim Berg, der Präsident des Digitalverbands Bitkom.

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4 Kommentare

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  • Erst to regulieren und dann Jammern und warnen. Wer sich das Desaster der staatsspezifizierten telematikinfrastruktur mal genauer angeguckt hat weiß was zu erwarten ist: teurer, verspäteter und technisch veralteter Schrott. Ein paar grosskonzerne werden die Subventionen einstreichen. Viel Papier und wenig Software wird geschrieben werden

  • Da hat sich wer eine ganz günstige Brücke andrehen lassen?

  • Ich oute mich jetzt als langjähriger Cloud Engineer und behaupte, Herr Altmaier und seine Berater haben keinen blassen Schimmer, worüber sie eigentlich sprechen und veranstalten daher einen "Gipfel" *gähn*.

    Die Amazon Cloud existiert seit 2006, die Azure Cloud seit 2010. Die Innovationsgeschwindigkeit ist immer noch extrem extrem hoch. Wartet da irgendjemand auf "GAIA-X"? Der Zug ist abgefahren. Endgültig. Ist so ähnlich, wie jetzt ein Smartphone herzustellen, das weder billiger noch besser ist, aber eben 7-10 Jahre hinterher. Dafür kann man Gespräche (vermeintlich) nicht aus dem Ausland abhören. Viel Erfolg dabei!

    Warum sollten die besten Informatiker nach D kommen? Man muss zuerst deutsch lernen, Bezahlung ist lala, Kinderbetreuung geht gerade so, Steuer- und Abgabenlast hoch mit ungewisser Zukunft, Akzeptanz als Ausländer in D oft verbesserungsbedürftig, Jobangebote oft wenig innovationsgetrieben.





    Zitat: „Wenn GAIA-X zum Erfolg werden soll, muss die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle einnehmen“.

    Ja genau! Ultra-Hochtechnologie meets Hauptabteilungsleiter-Treffen im Bundesamt für Informationssicherheit. Viel Erfolg dabei!

  • Haha, zum Schutz der Informationen vor China. Deshalb bauen wir dann unser 5G Netz mit Huawei Komponenten. Das ist Humor nach meinem Geschmack :-D