piwik no script img

Diesel-Skandal bei DaimlerMillionen Autos werden nachgerüstet

Zehntausende Autos ließ Daimler bereits umbauen, um den Schadstoffausstoß zu verringern. Nun sollen es mehr als drei Millionen Fahrzeuge werden.

Der Werkstattbesuch für die Nachrüstung soll weniger als eine Stunde dauern Foto: dpa

Stuttgart dpa | Um den Schadstoffausstoß zu verringern, lässt der Autobauer Daimler europaweit mehr als drei Millionen Diesel-Fahrzeuge von Mercedes-Benz nachbessern. Die Aktion ist Teil eines „Zukunftsplans für Diesel-Antriebe“, die der Vorstand am Dienstag beschlossen hat. Es handle sich dabei um nahezu alle Fahrzeuge der Abgasnormen EU 5 und 6 in Europa. Die Aktion soll rund 220 Millionen Euro kosten und in den kommenden Wochen beginnen. Für die Besitzer der Autos sollen die Änderungen an der Software kostenlos sein und etwa eine Stunde dauern.

Außerdem plant Daimler eine schnelle Markteinführung seiner neuen Diesel-Motorenfamilie. Mit dem Zukunftsplan solle das Vertrauen in die Antriebstechnologie gestärkt werden. „Wir sind überzeugt davon, dass der Diesel nicht zuletzt wegen seiner niedrigen CO2-Emissionen auch künftig ein fester Bestandteil im Antriebsmix sein wird“, betonte Vorstandschef Dieter Zetsche.

Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR hatten vergangene Woche berichtet, dass mehr als eine Million Daimler-Fahrzeuge mit einer Software programmiert sein könnten, die Abgaswerte manipuliert. Betroffen seien zwei Motorklassen, die nun vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) gesondert untersucht werden sollen. Grundlage des Berichts ist ein Durchsuchungsbeschluss, den das Amtsgericht Stuttgart im Mai im Zuge der Ermittlungen gegen Daimler-Mitarbeiter wegen Betrugs und strafbarer Werbung ausgestellt hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit März wegen möglichen Abgas-Betrugs.

Daimler hat immer betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben. Der Streitpunkt ist – wie bei anderen Herstellern – ein sogenanntes Thermofenster, das die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunterregelt.

Wie auch andere Hersteller hatte sich Daimler mit dem KBA darauf geeinigt, bestimmte Fahrzeuge freiwillig zurückzurufen, um die Technik anzupassen und den Ausstoß schädlicher Stickoxide zu reduzieren. Die Zahl von rund 270.000 Fahrzeugen aus der Kompakt- und der V-Klasse, die bereits nachgebessert werden, wird nun auf gut drei Millionen aufgestockt. Die bayerischen Autobauer BMW und Audi hatten bereits angekündigt, zur Abwendung drohender Diesel-Fahrverbote die Hälfte ihrer in Deutschland zugelassenen Euro-5-Diesel technisch nachzurüsten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Der Effekt wird gegen Null gehen.

     

    Falls die neue Software die Abgase sauberer macht: WARUM wurde sie nicht früher eingesetzt? Dafür gib'ts ein paar mögliche Gründe

     

    1. Die Motorleistung wird schlechter

    2. Die Lebensdauer von Motor oder Abgasstrang sinkt

    3. Der Verbrauch steigt

     

    Egal was, wer sein Auto "nachrüsten" lässt, bekommt aus seiner ganz privaten Perspektive nur Nachteile. Er wäre schön dumm, dieses Update machen zu lassen - und deswegen wird wohl auch kaum jemand dieses generöse Angebot von Daimler annehmen.

     

    Augenwischerei das ganze, pfui.

  • Leider ist es noch etwas komplizierter und skandalöser:

    Wenn die Automobilindustrie nun die Manipilationen an den Abgasreinigungen abstellen muß und die vorgeschriebenen Werte im Alltagsbetrieb tatsächlich einhalten will, werden IMMER andere Paramater beeinflußt.

    Eine Reduzierung des Schadstoffausstosses ohne Veränderung der Hardware (Katalysator, Reinigungsverfahren (Bsp. AdBlue)) geht zu lasten des Verbrauchs und /oder der Leistung des Fahrzeuges.

    Für den Käufer des PKW wird ein Mangel, gegen einen anderen Mangel getauscht, ohne ihn zu involvieren.

    Weder von Industrie noch der Politik wird das kommuniziert. Es bleibt eine Schadensersatzanspruch wegen nichterfüllung, den europäische Verbraucher voraussichtlich nicht bezahlt bekommen! "kostenlose Nachbesserung"?

  • Schreibt doch bitte nicht "nachrüsten" oder "umbauen". Das ist Täuschungs-PR. Es ist ein Software-Update. Wenn Sie auf Ihrem Smartphone eine aktuelle Version des Betriebssystems installieren, sagen Sie doch auch nicht, dass sie es "nachgerüstet" oder "umgebaut" hätten. Es wird dann aktualisiert. Die Hardware wird damit nicht besser. Die Motorsteuerung wird vielleicht die Abgasreinigung ein wenig seltener abstellen - aber das war es dann auch schon.

  • Ah ja, so einfach ist das! Und kostet auch nichts, super. Das man da nicht schon früher drauf gekommen ist, sind ja ganz schöne Dummerchen bei Daimler. Und die Lösung ist so einfach, dass sie schon quasi kurz nach dem Skandal zur Verfügung steht...aber in 10 Jahren Entwicklung vorher kam keiner drauf.

    Und das soll jetzt einer glauben...

    • @Mitch Miller:

      Ganz genau :-)

       

      So aus dem Bauch heraus werden sie mit der Software wohl die Verbrennungstemperatur im Motor senken (durch weniger Luft im Gemisch).

       

      Dadurch sinken sofort die Stickoxide, der Kraftstoffverbrauch steigt und die Russemissionen gehen in die Höhe, was dann den Partikelfilter schneller killt (Ersatzkosten im 4-stelligen Bereich).

       

      Softwareupdate? Ich bin doch nicht blöd! (werden sich viele sagen)

      • @TurboPorter:

        Das Dumme ist, dass ein Verweigern der Verbesserungsmassnahme u.U. den Wiederverkaufswert deutlich senkt, denn OFFIZIELL fährt man ansonsten einen Stinker und darf vielleicht nicht mehr in die Innenstadt. Oder so. Prüft vielleicht sogar der TÜV...oder nö, die sind ja Teil des Lügengebäudes.

        Bei einem Gebrauchtverkauf muss man das angeben, sonst ist es arglistige Täuschung und das endet richtig BÖSE.

        D.h. Daimler bastelt weiter an dem Lügennetz, weil sie nicht anders können.

        • @Mitch Miller:

          "Prüft vielleicht sogar der TÜV...oder nö, die sind ja Teil des Lügengebäudes."

           

          Zumindest bislang prüft der nichts. Ich habe einen Betrugs-VW. Bei der TÜV-Prüfung (Ende 2016) habe ich gefragt, ob ich das Softwareupdate brauche, um den TÜV zu bekommen. Die haben mich angeschaut, als wäre ich der erste mit der Frage und meinten, das spiele keine Rolle.

           

          Ich habe mich da nur gefragt, was die eigentlich prüfen, wenn klar ist, dass die Software meines Autos fehlerhaft ist.

  • Wie man sieht, geht es nur unter Zwang. Soviel zu Bereitschaft der Industrie, sich freiwillig den Notwendigkeiten zu beugen....

     

    Und was kommt von all den anderen Diesel-Sünderlein? .....pffffhhhh..eisse Luffft....

     

    Übrigens, unsere beiden flotten Dieselfahrzeuge verbrauchen auf 100km je 4,6 und 5,4l Diesel. Die Nachrüstung müsste (evtl. staatlich unterstützt) ganz erheblich preiswerter durchgeführt werden können. Das würde ziemlich rasch und nachhaltiger wirken als die verzweifelten Versuche, in einer noch nicht konkurrenzfähigen E-Fahrzeugbranche mit unübersichtlichem und bundesweit strukturstotterndem E-Ladenetz nebst all den anderen Unzulänglichkeiten einen wesentlichen realistischen Beitrag zur Klimarettung leisten zu wollen.

     

    Derzeit erscheint mir die Nachrüstmöglichkeit mit AdBlue als so ziemlich die Sinnvollste und sollte - soweit möglich - auf alle Dieselfahrzeuge angewendet werden können - schon damit der Wiederverkaufswert nicht ins Bodenlose sinkt.

  • Dass man Dieselmotoren auch sauber machen kann, ist in einigen Fällen bewiesen. Der Vertrauensverlust in die Dieselmotoren hat die Autoindustrie zu verantworten. Statt die Motoren besser zu bauen, wurde betrogen. Entgegen dem Titel wird kein einzige Auto "nachgerüstet". Lediglich die Software wird anders eingestellt. Die Einstellung wird vermutlich so aussehen, dass der Betrug ein wenig weniger offensichtlich ist. Denn lösen lässt sich das Problem mit Software nicht. Die Betrugssoftware war ja gerade der untaugliche Versuch einen schlechten Motor auf dem Prüfstand besser aussehen zu lassen. Ein Softwareupdate ohne Hardwarenachrüstung ist also Augenwischerei, die suggerieren soll, dass Autohersteller und Ministerium tätig wären. Das reicht vielleicht bis zur Wahl, wird jedoch im Endeffekt den Ruf des Dieselmotors weiter ruinieren.

    • @Velofisch:

      So isses!