parteispenden: Die verlorene Ehre des Jahres 2000
Was die Berichterstatter des Spendenuntersuchungsausschusses gestern als Mehrheitsmeinung vorlegten – vor zwei Jahren hätte es noch für Furore gesorgt. Denn der Bericht demontiert nicht nur Kohl in seiner Rolle als fehlgeleiteter Ehrenmann, er deckt auch die Verschleierungs- und Verhinderungsstrategie auf, mit der die heutige CDU-Führung versuchte, die Arbeit des Ausschusses möglichst lahm zu legen. Gemessen an den von den Berichterstattern aufgehäuften Indizien einer systematischen illegalen Einnahmepraxis über viele Jahre hinweg nehmen sich die SPD-Untaten zu Köln und Wuppertal wie linkische Amateurunternehmen aus. Aber: Gestorben, begraben, vergeben, vergessen – wen interessiert vier Monaten vor den Wahlen noch die verlorene Ehre des Jahres 2000?
Kommentar von CHRISTIAN SEMLER
Das Strafgesetzbuch kennt nicht den Begriff der politischen Korruption – im Bericht der Mehrheit fungiert er an zentraler Stelle. Denn auch diesseits der Strafverfolgung muss ein Politiker darauf achten, dass seine politischen Entscheidungen nicht in den Verdacht kommen können, von vorhergehenden oder nachfolgenden Geldzuwendungen beeinflusst worden zu sein. Diese im Vergleich zu Privatpersonen weiter gespannte Verantwortlichkeit, diese höhere Anforderung an Korrektheit, um nicht zu sagen an Moralität hat einen einfachen Grund: die öffentliche Funktion und die Bindung ans Gemeinwohl. Schließlich entscheidet nicht das Los über politische Ämter, und kein Mensch wird ins Mandat gezwungen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse wären überflüssig, wenn sie die Tätigkeit der Strafgerichte nur verdoppeln würden. Ihre Arbeit besteht vielmehr darin, die politische Verantwortlichkeit aufzudecken.
Das Parlament hat mit der Reform des Parteiengesetzes und einem neuen Gesetz über die Funktion von Untersuchungsausschüssen sein Mögliches getan, um Konsequenzen aus der Spendenaffäre zu ziehen. Jetzt stehen weitere zur Diskussion. So machen die Berichterstatter zu Recht darauf aufmerksam, dass die Befugnisse des Ausschusses an den Landesgrenzen enden. Deshalb ist über eine Erweiterung der Rechtshilfe nachzudenken. Aber die chronische Anfälligkeit der Parteien für politische Korruption lässt sich durch Strafvorschriften und strengere Regularien allein nicht kurieren. Die Reform der Parteien selbst steht auf der Tagesordnung. Und die kann nur von außen, durch gesellschaftlichen Druck, bewerkstelligt werden.
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