Die kurdische Peschmerga im Nordirak: Alles unter Kontrolle?

Die Bundeswehr bildet kurdische Peschmerga im Kampf gegen den IS aus – und liefert Waffen. Ein Besuch am Schießstand.

Kurdische Peschmerga bei der Ausbildung durch die Bundeswehr in Erbil Foto: Kersten Augustin

ERBIL/BERLIN taz | Oberfeldwebel Eggi ist ein bisschen genervt. „No, no, no! Das haben wir doch jetzt schon hundertmal geübt“, sagt er. „Noch mal! Again! Dîsa!“ Die Peschmergakämpfer gehen mit hängenden Köpfen und Gewehren zurück auf ihre Ausgangsposition.

Eggi, wie ihn seine Kameraden nennen, steht breitbeinig in den grünen Hügeln am Stadtrand von Erbil im Nordirak. Aus Sicherheitsgründen will er, wie alle Soldaten, nur mit Vornamen zitiert werden. Er trägt Uniform und Schutzweste, sein Bart sieht aus wie frisch gekämmt, seine Haare über dem Undercut sind ordentlich zurückgegelt.

Eggi sieht sich um: Vor ihm steht eine Gruppe von Peschmerga, manche haben die Hände in den Hosentaschen, andere lümmeln im Gras. Anders als Eggi tragen die Peschmerga keine Weste. „Die sind die schwere Weste nicht gewohnt, und die Alten kriegen schnell Rücken“, sagt Eggi.

Wenn er die Peschmergatruppe anschaut, sieht er noch eine Menge Arbeit. Eggis Chefin, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, sieht die größte Hoffnung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Deshalb liefert die Bundesregierung ihnen Waffen – von denen einige auf dem Schwarzmarkt aufgetaucht sind. Deshalb bildet die Bundeswehr die kurdische Peschmergaarmee aus.

Keine Übersetzer, kein Sold

Hier, auf dem Truppenübungsplatz der Peschmerga, sollen Eggi und 149 andere deutsche Soldaten den kurdischen Kämpfern den Häuserkampf beibringen. Die Soldaten haben dafür auf der Wiese mit rot-weißem Flatterband ein Qua­drat abgeteilt, das den Grundriss eines Hauses darstellen soll. Fünf Peschmerga sollen einen Raum stürmen, der von zwei IS-Kämpfern besetzt ist.

Waffenlieferungen: Deutschland liefert seit 2014 Waffen und Munition an die Kurden im Nord­irak, um sie im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Darunter sind bislang etwa 16.000 Gewehre. Weitere 4.000 G36-Gewehre sowie „Milan“-Panzerabwehrraketen, Fahrzeuge und andere Ausrüstung sollen demnächst geliefert werden. Bis 2014 war die Position aller deutschen Bundesregierungen, keine Waffen in Krisen- oder Kriegsregionen zu liefern.

Peschmerga: Die Peschmerga – übersetzt: die dem Tod ins Auge Sehenden – sind die Armee des kurdischen Autonomiegebiets im Irak. Verschiedenen Zählungen zufolge sollen ihr 130.000 bis 200.000 Kämpfer angehören.

Eggi gibt Zeichen, packt die kurdischen Kämpfer an den Schultern, zeigt ihnen, wie sie das Gewehr halten sollen, und schiebt sie hin und her. „Gut“, sagt er und hebt vorsichtshalber noch den Daumen. „Dîsa!“, noch mal! Ein paar kurdische Worte hat er mittlerweile gelernt. Die Peschmerga stürmen wieder auf das Flatterband zu.

Eggi beobachtet die Peshmerga bei der Ausbildung Foto: Kersten Augustin

Zehn Wochen dauert die Ausbildung einer Peschmergaeinheit durch die Bundeswehr, eigentlich. Schießen, bewegen im Feld, Schützengräben, Verhalten bei Chemieangriffen, Häuserkampf. Infanterieausbildung im Schnelldurchlauf. Aber die Ausbildung verzögert sich.

Schon die ganze Woche können sich Eggi und die Peschmerga fast nur mit Gesten unterhalten. Die Übersetzer streiken, wieder einmal. Seit Monaten haben sie keinen Sold bekommen, auch die Peschmergakämpfer selbst nicht. Die Zentralregierung in Bagdad weigert sich, sie zu bezahlen. Deshalb endet die Ausbildung bereits um 14 Uhr, damit die Kämpfer am Nachmittag Zeit haben zu arbeiten. Auch viele der Kämpfer an der Front müssen nach ein paar Wochen zurück nach Hause, um Geld zu verdienen.

Was folgt aus der deutschen Unterstützung der Kurden?

Es gibt viele Gründe dafür, dass der Sold ausbleibt: Der Krieg gegen den IS geht ins Geld, der niedrige Ölpreis hat die Einnahmen der rohstoffreichen kurdischen Region gedrückt. Die kurdische Autonomie- streitet mit der Zentralregierung in Bagdad, die die Zahlung verweigert. Auch alle anderen kurdischen Regierungsbeamten warten seit Monaten auf ihren Lohn. Die Kurden sprechen bereits von einer Wirtschaftskrise.

Vordergründig geht es in dem Streit zwischen Bagdad und Erbil um die Frage, wer welchen Anteil aus den Öleinnahmen erhält. Doch eigentlich geht es um etwas Größeres: Entsteht da im Norden des Irak, hinter den Schützengräben an der IS-Front, gerade ein kurdischer Staat?

Und die Frage ist auch: Beschleunigt die Bundesregierung mit der Unterstützung der Kurden den Konflikt des Irak?

Seit anderthalb Jahren bildet die Bundeswehr Kämpfer der Peschmerga im Nordirak aus, Deutschland liefert Waffen und Ausrüstung: nicht nur Gulaschkanonen, auch G36-Sturmgewehre oder panzerbrechende Raketenwerfer.

Keine Kontrollen vorgesehen

Im Januar wurde Kritik an den Waffenlieferungen laut: NDR-Journalisten hatten mit versteckter Kamera auf einem Schwarzmarkt bei Erbil gefilmt, dort waren deutsche Waffen aufgetaucht. Peschmergasoldaten hatten ihre Gewehre verkauft, um fehlenden Sold auszugleichen oder die Flucht nach Europa zu bezahlen. Mitarbeiter von Jan van Aken, einem Rüstungsexperten der Linkspartei, haben die Recherchen mit angestoßen, nachdem sie in einem Fernsehbeitrag von Al-Dschasira deutsche Waffen entdeckt hatten. Van Aken sagt, auch seine Leute hätten auf dem Schwarzmarkt Waffen gefunden.

Die Bundesregierung bestellte nach dem Fernsehbericht den kurdischen Vertreter in Berlin ein. Der Einsatz ist in Deutschland umstritten, die Waffenlieferung in ein Krisengebiet ein Tabubruch. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel steht beim Thema Waffenexporte unter Druck. Er war als Minister mit dem Ziel angetreten, die Ausfuhren zu senken, und bricht jetzt alle Rekorde.

Im März hat das Kabinett deshalb eine Verordnung erlassen, die sogenannte Post-Shipment-Kontrollen ermöglicht. Nun soll es bei allen Rüstungsexporten möglich sein, dass deutsche Beamte vor Ort kontrollieren, was mit den Waffen passiert. Doch diese Kontrollen sind optional. In den Ministerien scheint auf Nachfrage zunächst niemand zu wissen, wie sie aussehen sollen und wer verantwortlich ist.

Die Bundesregierung will derweil weitere Waffen an die Kurden liefern: 4.000 G36-Gewehre sind für 2016 geplant, dazu 200 „Milan“-Panzerabwehrraketen und fünf „Dingo“-Fahrzeuge. Für die nächste Lieferung sind keine Kontrollen vor Ort vorgesehen. Das bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der taz.

Shorsh wundert sich über fehlende Kontrollen

Doch wenn es bei einem Rüstungsexport in ein Bürgerkriegsland, in dem bereits deutsche Waffen verschwunden sind, keine Kontrollen gibt – wann dann? Weiß die Bundesregierung, was sie da tut?

Shorsh jedenfalls wundert sich – darüber, dass sie die Waffenkontrolle nicht so handhabt wie die Amerikaner. Shorsh ist der einzige Peschmerga, der im aktuellen Ausbildungslehrgang der Bundeswehr in Erbil Deutsch spricht, das macht ihn zu einem gefragten Mann.

Wenn die deutschen Soldaten seinen fränkischen Dialekt hören, müssen sie kurz lachen. Shorsh lächelt, wenn man ihn auf seinen Namen anspricht: „Das ist praktisch, das verstehen auch die Deutschen.“ 2007 ging Shorsh nach Würzburg, er erhielt Asyl, weil er im Krieg gegen Saddam mit amerikanischen Soldaten kämpfte. Stolz zeigt er seine AOK-Karte und seine EC-Karte der Sparkasse. „Ich habe bei Burger King und bei Tengelmann gearbeitet“, sagt er. Als der IS 2014 Mossul einnahm und auf Shorshs kurdische Heimat vorrückte, ging er zurück, um wieder mit den Peschmerga zu kämpfen.

„Ich lerne hier viel“, sagt Shorsh über die Ausbildung. „Wie man auf freiem Feld läuft, wie man Häuser einnimmt.“ Auch seine Uniform hat er von den westlichen Verbündeten gekriegt. „Wir haben gute Waffen von den Deutschen bekommen“, sagt er. Was fehle, sei der Sold. Nach zwei Monaten an der Front kehrt er nach Hause zurück, um als Elektriker zu arbeiten. Er muss Geld verdienen für seine Tochter, sie ist sieben Monate alt.

Shorsh erzählt gern Geschichten von der Front. Zum Beispiel, als sie ein Dorf stürmten, das vom IS kontrolliert wurde. Über ihnen Flugzeuge, vor ihnen leere Häuser, darin versteckt: der IS. Dann stand dort am Straßenrand ein Opel, die Marke weiß er noch genau. Das Auto explodierte, nur wenige Meter entfernt. Shorsh hielt sich die Ohren zu, tagelang habe er nur ein Pfeifen gehört. Drei Kameraden wurden zerfetzt, erzählt er, und falls es ihn berührt, diese Geschichte zu erzählen, versteckt er es gut unter seiner Schirmmütze. „Bei uns sterben viele Kämpfer, wir haben schon 1.500 Tote und 5.000 Verletzte“, sagt er. Shorsh hofft, dass das jetzt besser wird, weil die Deutschen ihnen beibringen, wie man Sprengfallen erkennt und entschärft.

Waffen nur gegen Fingerabdruck?

Shorsh hat von der Bundeswehr auch das Schießen mit dem US-amerikanischen Maschinengewehr M16 gelernt. Mit dem deutschen Sturmgewehr G36 hat er auch schon gekämpft, die verschwundenen Waffen spricht er von sich aus an. „Es gab Berichte in unseren Zeitungen und im Fernsehen.“

Die deutschen Soldaten in Erbil werden bei dem Thema schweigsam. „Das ist eine politische Frage. Unsere Aufgabe hier ist die Ausbildung der Peschmerga“, sagt der zuständige Presseoffizier Hagen Messer knapp. Wir sind nicht zuständig, heißt das.

In Gesprächen unter vier Augen hört man jedoch wenig Verständnis für die Aufregung in Deutschland: Bei einer Lieferung von mehreren Tausend Gewehren gingen ein paar Waffen auch mal verloren. Darüber dürfe man sich nicht wundern bei einer Miliz, bei der jeder Kämpfer seine Waffe mit nach Hause nehme.

Am Schießstand Foto: Kersten Augustin

Shorsh dagegen versteht nicht, warum die Deutschen es mit ihren Waffen nicht machen wie die Amerikaner. „Die geben uns die Waffen nur persönlich, mit Fingerabdruck“, sagt Shorsh. Der kurdischen Regionalregierung traut er nicht: „Man darf die Waffen nicht einfach denen da oben geben.“

Statt die Waffenabgabe an die Peschmerga zu kontrollieren und die Waffen einzelnen Kämpfern zuzuordnen, übergab Deutschland die Waffen an die kurdische Regierung. Man schickte die Container, gab eine kurze Anweisung, übergab die Schlüssel und sah die Sache als erledigt an.

Nur 17 Waffen verkauft? „Das ist naiv“

Nach den Medienberichten über verschwundene Waffen musste die Bundeswehr zugeben, dass sie nicht einmal wusste, an welche Einheiten der Peschmerga ihre Waffen geliefert wurden. Auch auf deutschen Druck hin musste die kurdische Regionalregierung einen Bericht erstellen.

Im März hat sie diesen vorgelegt. Ihm zufolge sind 88 von über 20.000 deutschen Waffen verloren gegangen, mehr als die Hälfte davon im Kampf an der Front gegen den IS. Verkauft worden seien nur 17 Waffen. Zehn Kurden seien wegen der Waffenverkäufe inhaftiert worden. Problem gelöst?

Jan van Aken, Rüstungsexperte der Linken, glaubt dem Bericht der Peschmerga nicht: „Was sollen die auch sonst schrei­ben?“ Da die Peschmerga weitere Waffenlieferungen gewollt hätten, sei der Bericht „extrem interessengeleitet“. Viermal seien seine Mitarbeiter und NDR-Journalisten auf dem Waffenschwarzmarkt gewesen und immer fündig geworden – dann sollen „nur 17 Waffen insgesamt verkauft worden sein?“, fragt er. Van Aken ärgert, dass die Bundesregierung nicht nachforsche: „Das ist bewusste Naivität.“

Jan van Aken sieht viele Möglichkeiten, Kontrollen vor Ort zu ermöglichen: Die größeren Waffen wie die panzerbrechenden „Milan“ könne man mit Chips zur Ortung ausstatten, bei den G36-Gewehren könne man zumindest die Waffenkisten nachverfolgen. Eigentlich ist van Aken aber prinzipiell gegen die Waffenlieferung – und gegen die Ausbildungsmission. „Die langfristigen Folgen sind fatal“, sagt er. „Das ist direkt gerichtet gegen die Ein-Irak-Politik.“

In Badelatschen zur Ausbildung

Es fängt an zu nieseln im Ausbildungscamp in Erbil. Oberfeldwebel Eggi runzelt die Stirn. Fast alle Peschmergakämpfer haben nur eine einzige Uniform. Damit sie morgen weitermachen können, soll sie nicht durchnässt werden. „Wenn der Regen stärker wird, müssen wir abbrechen“, sagt Eggi. Das gefiele ihm gar nicht.

Er sagt zwar: „Ich bin beeindruckt, wie motiviert die sind.“ Am Ende einer Einheit des ABC-Trainings hätten sie in Schutzanzügen dagestanden und geklatscht – in Deutschland undenkbar. Aber das heiße nicht, dass es nicht viel zu tun gäbe.

Die Peschmerga haben einen guten Ruf im Kampf gegen den IS. In den zerfallenen Staaten Syrien und Irak sind sie die einzigen Bodentruppen und die einzige regionale Kampfpartei weit und breit, mit der der Westen ohne Zweifel zusammenarbeiten will. Andererseits sagt ein deutscher Offizier: „Manche von ihnen kommen in Badelatschen zur Ausbildung.“ Solange niemand Bodentruppen schicken will, sind diese Kämpfer in Badelatschen die größte Hoffnung im Kampf gegen den IS.

Shorsh ist einer der wenigen Peshmerga, die deutsch können. Das macht ihn zu einem gefragten Mann Foto: Kersten Augustin

Die Peschmerga gelten als kampferfahren, haben aber keine militärische Ausbildung. „Die liegen auf dem Hügel und rotzen das Magazin leer“, sagt ein Soldat. Deswegen sei es so wichtig, die Kämpfer auch taktisch zu schulen. „Im Kampf in den Bergen sind die Kurden erprobt, der Häuserkampf ist für sie neu.“

Zudem hat der gute Ruf der Peschmerga zuletzt gelitten: Human Rights Watch und Amnesty International berichten, dass kurdische Kämpfer mehrfach arabische Einwohner aus ihren Häusern vertrieben hätten. Die kurdische Regierung weist die Vorwürfe zurück: Es seien nur Dörfer geräumt worden, die im Gebiet des Kampfes gegen den IS lagen oder deren Einwohner mit den Terroristen zusammengearbeitet hätten. Manche Beobachter halten die Räumungen für eine späte Rache der Kurden für die Leidensjahre unter Saddam Hussein. Dieser ließ die Kurden verfolgen, verbot die kurdische Sprache und ließ die kurdischen Gebiete durch Vertreibungen und Neugründungen von Dörfern nach und nach arabisieren.

Jan van Aken ist als Linker immer für einen kurdischen Staat gewesen. Seit sich aber die Peschmerga 2014 aus dem Sindschargebirge zurückgezogen und die Jesiden sich selbst überlassen hätten, habe er Zweifel. Er war mehrfach zu Besuch im Nordirak. Er war mit Peschmergakämpfern an der Front und hat menschenleere arabische Dörfer gesehen. Ein Offizier habe ihm gesagt, dass die Einwohner alle mit dem IS unter einer Decke gesteckt hätten. Möglich sei das, sicher sei er sich nicht. Heute hofft er, dass es eine föderale Zukunft für den Irak gibt, mit regionaler Autonomie für die Kurden, aber ohne eigenen Nationalstaat.

Dilshad Barzani, Lobbyist für Waffenlieferungen

Dilshad Barzani ist Jan van Akens Gegenspieler: einer der größten Lobbyisten für deutsche Waffenlieferungen an die Kurden. Als im Januar die Berichte über die verschwundenen Waffen auftauchten, hatte er viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Er ist der Vertreter der kurdischen Autonomieregierung in Deutschland und Bruder des kurdischen Präsidenten.

Barzani wurde ins Auswärtige Amt einbestellt, um sich für die verschwundenen Waffen zu rechtfertigen. „Ganz schön peinlich“ sei das gewesen, sagt er. „Wir müssen uns bei Deutschland für die Waffen bedanken“, beginnt er, ganz Diplomat, das Gespräch mit der taz. Er erzählt, dass die Waffen einen ungewollten Effekt gehabt hätten: „Viele kurdische Babys heißen jetzt Milan“, benannt nach den deutschen Panzerabwehrraketen.

Barzani findet den Verlust der Waffen „sehr bedauerlich“. Aber wenn man nachbohrt, wird sein Ton schärfer. „Wir sind die Einzigen, die sich dem IS entgegenstellen“, sagt er. Es sei „unverschämt“, wenn die Deutschen alles genau unter die Lupe nähmen. „Wir zahlen dafür mit unserem Blut.“ Auch in Afghanistan oder in einer deutschen Kaserne komme mal eine Waffe abhanden. Dass alle sauber wären, „das gibt es selbst in Deutschland nicht“. Barzani wohnt lange genug in Berlin, um ein Beispiel zu haben: „Das sieht man doch auch am BER.“

Getroffen? Foto: Kersten Augustin

Man müsse sehen, wie viele Waffen im Nahen Osten rumliegen, sagt Barzani am Telefon. Der Nahe Osten sei ein Selbstbedienungsladen: „Da kommt man leichter an eine Waffe als an ein Pflaster für eine Wunde.“

In diesem Selbstbedienungsladen füllt Deutschland die Regale auf. Die deutsche Entscheidung, nur Waffen und Ausbilder zu schicken, bedeutet nicht, dass die Deutschen in diesem Krieg sauber blieben.

Andererseits: Kann es schlecht sein, wenn Männer wie Shorsh nicht mehr in die Luft gesprengt werden, weil ihnen deutsche Soldaten beigebracht haben, wie man eine Sprengfalle entdeckt und entschärft?

Bis wann geht der deutsche Einsatz im Irak?

Auf dem Übungsplatz wird der Regen stärker, in Erbil geht der Ausbildungstag für die Peschmerga vorzeitig zu Ende. Shorsh muss arbeiten und nach Hause zu seiner Tochter. Eggi wird den Nachmittag auf der Hantelbank im Fitnesscenter des deutschen Lagers verbringen. Wie lange ihr Einsatz dauern wird, weiß keiner der beiden. Gerade hat der Bundestag den Einsatz bis Ende Januar 2017 verlängert. Im Lager der Bundeswehr geht man davon aus, dass man länger bleiben wird.

Presseoffizier Messer, ein freundlicher Mann mit Kaiser-Wilhelm-Bart, bringt den deutschen Besuch im gepanzerten Jeep zurück zum Hotel. Er ist der Mann für diplomatische Antworten. Mit Ratschlägen an die Kurden halte man sich zurück: „Das ist ja nicht unser Kampf. Wir sehen uns in der Ausbildung als Dienstleister der Kurden.“ Messer erzählt auch, dass sich die deutschen Soldaten Mühe gäben, nie von Kurdistan, sondern immer nur von der „kurdischen Region“ zu sprechen.

Getroffen Foto: Kersten Augustin

Doch diese Sprachregelungsdiplomatie täuscht nicht darüber hinweg, dass die Bundesregierung sich mit ihrer Entscheidung, im Kampf gegen den IS auf die Peschmerga zu setzen, auch positioniert hat im Konflikt zwischen der Autonomieregierung in Erbil und der Zentralregierung in Bagdad – aufseiten der Kurden. Die irakische Armee erhielt keine deutschen Waffen.

Die Peschmerga haben beim Kampf gegen den IS auch vormals nicht kurdisch regierte Gebiete eingenommen: etwa Kirkuk, das Zentrum der irakischen Ölindustrie. Sollte der IS einmal besiegt sein, wird sich der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil noch verschärfen. Dann werden die Kurden ihre Autonomie verteidigen. Auch mit deutschen Waffen.

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