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Die Wochenvorschau für BerlinDiskriminierung macht keine Osterferien

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Berlins Schü­le­r*in­nen und Abgeordnete verabschieden sich in den Urlaub. Die Gerichte haben derweil allerhand mit Ausgrenzung und Gewalt zu tun.

Will sich Diskriminierung nicht gefallen lassen: René_ Rain Hornstein Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

A n diesem Montag beginnen in Berlin die Osterferien. Das freut nicht nur junge Menschen, die zwei Wochen lang nicht für die Schule pauken müssen – so sie denn keine MSA-Prüfungen haben. Nein, auch für die Mitglieder des Abgeordnetenhauses hat der Osterhase ein Geschenk mitgebracht, und zwar ein richtig großes: Ganze vier Wochen Urlaub gönnen sich die Parlamentarier*innen, bis zum 12. Mai bleibt das Nest der Demokratie leer.

Von so viel freier Zeit können Berlins Rich­te­r*in­nen derzeit nur träumen. Für sie steht diese Woche einiges an Arbeit an: So soll es am Mittwoch ein Urteil geben im Prozess gegen den Billigflieger Ryanair. Der wurde von einer nicht-binären Person auf Entschädigung wegen Diskriminierung verklagt, weil es bei der Buchung eines Flugtickets keine geschlechtsneutrale Anredeoption gibt. Vielmehr müssen Kun­d*in­nen zwischen „Herr“ oder „Frau“ beziehungsweise dem mittelalterlichen „Fräulein“ wählen – alle außerhalb oder dazwischen haben das Nachsehen.

Am Donnerstag stehen dann gleich zwei wichtige Prozesse an, auch hier geht es um Diskriminierung, aber der schmerzhaften Art. So fordert der Schwarze Musiker Zefanias M. 10.000 Euro Schmerzensgeld vom Land Berlin, weil ein Polizist im Jahr 2019 am U-Bahnhof Hermannstraße neun Minuten auf seinem Nacken gekniet haben soll, bis er keine Luft mehr bekam und ohnmächtig wurde. Ak­ti­vis­t*in­nen fordern schon lange, dass die lebensgefährliche Praxis der Kniefixierung verboten wird, die vor fünf Jahren den US-Amerikaner George Floyd das Leben kostete.

Vor dem Kriminalgericht Moabit geht es zeitgleich um den brutalen Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira, der im Februar 2024 bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Der Angeklagte Mustafa A. hat zwar gestanden, Shapira nach dem Besuch einer Bar in Mitte erst geschlagen und ihm dann ins Gesicht getreten zu haben, als er schon am Boden lag – was diverse Brüche im Gesicht und eine Hirnblutung zur Folge hatte.

Der 24-Jährige mit palästinensischen Wurzeln leugnet jedoch, aus antisemitischen Motiven gehandelt zu haben, wie die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft. Dem Angriff war ein Streit um den Nahost-Konflikt vorausgegangen, der sich an einer propalästinensischen Hörsaalbesetzung an der Freien Universität (FU) Berlin entzündet hatte, wo beide studieren.

Widerstand gegen politisch motivierte Ausweisung

Es ist nicht die einzige propalästinensische FU-Besetzung, die die Gerichte beschäftigt: So verhinderte das Verwaltungsgericht am Freitag im Eilverfahren die Ausweisung eines Iren, weil dieser sich Ende Oktober vergangenen Jahres an der Besetzung eines FU-Gebäudes beteiligt haben soll. Der Ire wurde deshalb, ebenso wie eine weitere irische, eine polnische und eine US-amerikanische Person, vom Landesamt für Einwanderung aufgefordert, Deutschland bis zum 21. April zu verlassen. Die Eilverfahren der anderen Betroffenen sowie ein Hauptsacheverfahren laufen noch.

Für Freitag rufen der Linke-Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak und mehrere NGOs daher zu einer Demo durch Mitte unter dem Motto „Politisch motivierte Deportationen stoppen“ auf. Wenn sich die Innenverwaltung mit dem Ausweisungsversuch da nicht mal ein Ei gelegt hat. Für das kann der Osterhase allerdings nichts.

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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