Die Wochenvorschau für Berlin: Angst, wie es weitergeht

Von Verweigerung ist diese Woche die Rede, und wo man sich in der Vergangenheit eben nicht verweigert hat. Und neue Lieder gibt es auch zu hören.

Vier nicht mehr ganz so junge Männer mit Sofa: Tocotronic

Gruppenbild mit Sitzmöbel: Tocotronic wünschen „Nie wieder Krieg“ Foto: Gloria Endres de Oliveira

Diese Woche wird der Pop wieder ein Stückchen vorangebracht, ein neues Album von Tocotronic erscheint, mit dem Albumtitel hat die Band einen Slogan gewählt, auf den sich schon sehr viele einigen können: „Nie wieder Krieg“. Am Freitag wird das Album in einem Streamingkonzert aus dem SO36 vorgestellt.

Und alle wird man ja sowieso nie hinter sich kriegen.

Trotz der neuen Ware möchte man zur Wochenbeschau doch in ein älteres Lied von Tocotronic reinhorchen: „Sag alles ab/ Geh einfach weg/ Halt die Maschine an und frag nicht nach dem Zweck“, hieß es 2007 bei der schulbildenden Band, ein Lob der Verweigerung, das gleich mit Bartleby zusammengedacht wurde, der Erzählung von Herman „Moby Dick“ Melville. Fünf recht eindeutige Worte machten sie berühmt, nämlich dieses „I would prefer not to“, mit der sich Bartleby höflich aller weiterer Mitarbeit verweigert. „Ich möchte lieber nicht“ – vor ein paar Jahren war das eine beliebte rhetorische Figur in den Feuilletons.

Die Verweigerung. Pathetisches Heldentum oder das trotzköpfige „Ich esse meine Suppe nicht“. Kann auch nicht schaden, zu schauen, was aus welchen Gründen verweigert wird. Der Verweigerung – Motto: „for refusal“ – widmet sich die Transmediale, in einem zweitägigen Symposium will das Medienkunstfestival im Livestream aus dem Haus der Kulturen der Welt am Freitag und Samstag danach schauen, welche Möglichkeiten sie eröffnen kann.

Festgeschrieben in Berlin hat sich der Verweigerungsheilige Bartleby auch mit dem Projekt Haus Bartleby, das als „Zentrum für Karriereverweigerung“ den Kapitalismus in die Zange nehmen wollte. Später machten sich ehemalige Haus-Bartleby-Aktivisten mit den Hygienedemos einen Namen, proklamiert wurde, dass die Coronaregeln ein übler Angriff auf das Menschenrecht seien, andere Haus-Bartleby-Aktivisten distanzierten sich. Und wer will, kann es natürlich als ein verschwörungstheoretisches Orakel sehen, wenn man in einem beliebten Suchprogramm mit den Begriffen „Verweigerung“ und „Berlin“ gleich als erstes Ergebnis bei den Coronamaßnahmen und dem Bußgeldkatalog zur Ahndung von Verstößen beim Infektionsschutz landet.

Aber Masken und das ganze Drumherum sind halt das Thema der Zeit mit Vorschriften, die manche unbedingt als faschistische Zwangsmaßnahme wahrnehmen wollen.

Unvergangene Vergangenheit. Am Mittwoch ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Oranienburg. Er besucht dort die Gedenkstätte KZ Sachsenhausen und legt einen Kranz nieder. Er macht dies mit Blick auf den Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus, der am 27. Januar – dem Tag der Befreiung von Auschwitz – begangen wird. An dem Donnerstag wird am Landgericht Neuruppin auch ein Prozess gegen einen ehemaligen KZ-Wachmann fortgesetzt. Der Angeklagte soll in Sachsenhausen wissentlich und willentlich Hilfe zur Ermordung von Lagerinsassen in 3.518 Fällen geleistet haben. Faschistischer Zwang.

Verweigert hat sich der Mann jedenfalls nicht.

Der Verweigerungsrundlauf der Transmediale mit KünstlerInnen, Theo­re­ti­ke­rIn­nen und AktivistInnen, die sich in ihren Arbeiten der Verführung technologischer Versprechungen widersetzen, ist übrigens als „Binge-Watching-Veranstaltung“ annonciert. Und dieses Exzess-Angebot „Binge“ sollte reichen, um damit auf eine verschrobene Band mit dem schön spinnerten Namen Hildegard von Binge Drinking zu kommen. Ein im Nonnenhabit antretendes Duo mit krautrockig bollerndem Electro. Hat gleichfalls gerade neue Musik im Angebot für die Nischen, die es neben Tocotronic doch auch geben muss. „Ich habe Angst, ob es weitergeht. Ich habe Angst, wie es weitergeht. Ich habe Angst, dass es weitergeht“, heißt es da in dem Lied „Angst“. Und: “Spürst sie auch du?“

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