Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Programm-Mikado bei den Grünen, fettgefütterte Airlines und Möchtegern-Zivi Deutschland. Und warum uns der Brexitainmeint noch fehlen wird.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergange-nen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Keine Lösung im Brexit.
Und was wird besser in dieser?
Brexitainment wird uns eines Tages fehlen.
Die Grünen feierten ihr 40-jähriges Bestehen und diskutierten ein neues Grundsatzprogramm. In welcher Arbeitsgruppe wären sie gern dabei gewesen?
Der Workshop „Demenz als Mittel in der Bündnispolitik“ fehlte leider. Die grünen Urthemen „Pazifismus“ und „Sozialismus“ heißen nun „Neue Fragen für Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik“ und „Soziale Teilhabe in einer globalen Welt“. Die Mittelpartei spielt Programm-Mikado: nichts umwerfen, niemanden erschrecken. Stabile Umfragewerte um die 18 Prozent verzittert man ungern, und die Medien steigen drauf ein: Es recht zu machen jedermann – ist eine Kunst, die Robert kann. Für die Lustfantasie vom Kanzler Habeck braucht man Ungenauigkeit, klare Kante dagegen kostet Punkte. Also wird das Grundsatzprogramm kuschlig werden, siehe Workshop 11: „Wo geht’s denn hier zum zufriedenen Leben in Vielfalt?“.
Nancy Faeser – stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, innenpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion sowie Generalsekretärin – will für den SPD-Vorsitz in Hessen kandidieren. Ist sie die richtige, um die hessischen SozialdemokratInnen aus dem Tief zu führen?
Mein Urteil wird eine Mitgliederbefragung der hessischen SPD nicht vollwertig ersetzen können. Faeser beweist Mut – denn wird sie nicht Parteichefin, kann sie den Job als Generalsekretärin auch abhaken.
Rein deutsche Waffenexporte nach Saudi-Arabien beziehungsweise in das Gemetzel im Jemen bleiben vorerst verboten. Ist das nicht ein starkes Signal für die ja oft von ganz links wie ganz rechts geforderte Renaissance des souverän entscheidenden Nationalstaats?
Und zugleich sein Gegenteil: Denn internationale Produkte mit deutscher Zulieferung – Panzer, Kampfflugzeuge, Radarsysteme – werden weiter produziert und erst mal auf Halde gelegt. Das ärgert Briten und Franzosen, die an die Saudis liefern wollen. Da entsteht Druck. Also: Je mehr Produkte europäisch hergestellt werden, desto weniger verfangen deutsche Bedenken, wie nach dem Mord an Kashoggi, den saudischen Luftangriffen auf Jemen, der blutrünstigen Diktatur Riads. Ähnliches gilt auch für eine europäische Armee, solange die Deutschen Krieg unter Parlamentsvorbehalt stellen. Füllte Deutschland die Rolle des Zivildienstleistenden unter den Nationen aus, fiele hier Patriotismus leichter.
Die USA, heißt es, hätten im Streit um Subventionen für Boeing bei der Welthandelsorganisation (WTO) eine Niederlage erlitten. Doch Washington begrüßt das Urteil. Wer darf sich nun tatsächlich freuen?
Jeder, der privat in der Kellerwerkstatt Großraumflugzeuge baut. Mehr Wettbewerb! Airbus und Boeing haben nun jeweils Gerichtstitel in der Hand, wonach der Konkurrent illegal staatlich fettgefüttert wurde. Vulgo: Ohne Betrug wären die Flugzeuge deutlich teurer oder die Profite schmaler.
Ausgerechnet in Leipzig hat das Bundesverwaltungsgerichts geurteilt: Die Deutsche-Fußball-Liga darf an Polizeikosten für sogenannte Hochrisikospiele beteiligt werden. Ein riskantes Urteil?
Das Oktoberfest bangt: Vom Unterhaltungskonzern Ligaclub zu anderen kommerziellen Sicherheitsproblemen führt eine juristische Logik: Wer mit dem Rummel Geld verdient, kann zur Kasse gebeten werden. Die Brandmauer „kommerziell“ ist wichtig: Bei den Castor-Transporten kamen CSU- und CDU-Politiker 2010 bereits auf die pfiffige Idee, für die Polizeikosten „illegale Demonstranten zur Kasse zu bitten“. So gesehen erstaunlich, wie lange die Bundesligaclubs sich durchmogeln konnten.
Nach Air Berlin und Germania muss nun offenbar der nächste sogenannte Billigflieger, die isländische Wow Air, aufgeben. Warum bleiben so viele Flieger am Boden? Ist billig zu teuer geworden?
Island hat durch die Bankenkrise – die geschwächte Währung wurde billiger – und den spektakulären Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull einen Tourismusboom erlebt. Drei Millionen Besucher bei 300.000 Einwohnern. Nun könnte noch eine prosperierende Airline hinzukommen – wenn Icelandair die marode Billiglinie Wow übernimmt. Oder wie der leidgewohnte Ise sagt: „þetta reddast“, am Ende geht’s gut aus.
Der Fall Claas Relotius soll nun verfilmt werden. Wen sehen Sie in der Hauptrolle?
Hm … „Der Junge muss an die falsche Luft“? „Fack juh, Augstein“ ? Noch hat die Produktionsfirma UFA fiction sich nur die Rechte am bevorstehenden Buch des Spiegel-Kollegen Juan Moreno gesichert, was in der Filmgeschichte auch schon hieß „… dann kann es kein Konkurrent verfilmen“. „Schtonk“ über die Hitler-Tagebücher war glorios; der kürzlich verstorbene Fernsehfälscher Michael Born brachte es nur zu einem TV-Spiel. Ein guter Test, ob die Causa Nichtjournalisten interessiert.
Und was machen die Borussen?
Eine hartnäckige Taube im Westfalenstadion dominierte die Berichterstattung. Kurz bevor Reporter den Premiumvergleich zu „elf Blinden“ auf dem Rasen zogen, machten sie zwei Buden und alles war wieder gut.
Fragen: waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge