Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Kevin Kühnert will endlich tanzen, der Bundestag bekommt Blähungen und: Was tun gegen zynische deutsche Behörden?

Kevin Kühnert zeigt mit dem Zeigefinger in Richtung Kamera

Likes to dance: SPD-Politiker Kevin Kühnert Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Friedrich Küppersbusch: Wenn das der Frühling ist, wie wird dann der Sommer?

Und was wird besser in dieser?

Ich kann wieder über Regen schimpfen.

Dass Tanzverbot am Karfreitag bleibt umstritten. Wären Sie gern Party machen gegangen?

„Bisher wusste ich nicht, dass die SPD eine Spaßpartei ist“ – wäre ein Titel für Wolfgang Thierses Autobiografie. Ist jedoch sein Kommentar zu Genosse Kevin Kühnerts Tanzoffensive. Dramenwahl bei den Sozis, während drumherum viele sich mal einen ausnahmegenehmigen. Karfreitag, Volkstrauer- und Totensonntag sind in allen Bundesländern tanzfrei; zweie kirchlich und einer mit einer bedenklichen Vorstrafe als „Heldengedenktag“ der Nazis.

So sehr manche das einhergehende Verbot von Treibjagden begrüßen mögen, irritiert das Mitspracherecht der christlichen Kirchen bei der behördlichen Prüfung von Ausnahmeregelungen. Wem rhythmische Körperbewegung nicht halal oder koscher ist, wird nicht befragt. Ich plädiere für den Umbau der vorliegenden Gesetzgebung von „Tanz“ auf „Rasenmäher und Laubpüsterich“. Eine gesetzliche Lautstärkeregelung für den Nervklassiker „Footlose“ aus dem Film über Tanzverbote bei religiösen Fundis in den USA wäre human.

Im letzten Jahr war fast jeder zweite Widerspruch oder jede zweite Klage gegen Hartz-IV-Leistungsverweigerungen seitens der Jobcenter erfolgreich. Kann man einfach sagen: Wer nicht klagt, der eben nicht gewinnt – oder ist das System der Fehler?

Es erinnert an die hohe Erfolgsquote von Widersprüchen und Klagen gegen Asylentscheidungen des Bamf. Hier fieberte sich die CSU-Hupe Alexander Dobrindt eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ zusammen. Die Jobcenter verwalten gut vier Millionen Leistungsbezieher, da können die 17.700 Anfechtungen eher als Stichprobe gelten. Behörden und Gesetze, die Schicksalen mit dem Generalbass „Verklag mich doch“ begegnen, sind zynisch: Die Klientel kann sich in der Regel juristisch kaum zur Wehr setzen – darf es aber.

Was nehmen Sie mit aus der Lektüre des Mueller-Reports?

Nichts, weil ich die 448 Seiten nicht gelesen habe. Immerhin doch einige Sätze daraus, deren schönster ist: „Wenn wir Vertrauen hätten, dass der Präsident klar die Justiz nicht behindert hätte, würden wir es hier erklären.“ Der Report besagt offenkundig, dass er nichts gefunden hat, während er beim Finden möglicherweise behindert wurde.

Die taz hat ihren 40. Geburtstag gefeiert. Trauen Sie ihr noch?

Hipster mit seltsamen Ernährungsgewohnheiten, die sich in Berliner Szenequartieren in Selbstausbeutung ein Riesenprojekt zusammenfantasieren? Klar.

Nach der nächsten Bundestagswahl könnten mehr als 800 Abgeordnete in den Reichstag einziehen. Ist das deutsche Parlament zu aufgebläht?

Zu gerecht, ausnahmsweise. Wer ein Direktmandat erringt, bekommt es – auch, wenn seine Partei ein schlechteres Zweitstimmenergebnis hat = erste Blähstufe. Die Konkurrenz, nach Zweitstimmen benachteiligt, bekommt zum Trost Ausgleichsmandate = zweite Blähstufe. So pumpte sich das Hohe Haus von 598 auf 709 Abgeordnete derzeit hoch. Prognose: über 800, größer ist nur noch Chinas Volkskongress.

Nun könnte man Direktmandate unterschlagen: böse. Oder die Konkurrenz benachteiligen: böse. Je größer das Parlament, desto eher wird’s zur Kirmes, finden politische Prozesse stickum im kleineren heimlichen Kreis statt: ganz böse. Bedenkt man, wie erfrischend die unabhängigeren Direktmandatler waren – von Bosbach bis Ströbele –, wär es schade um sie. Schäuble und Lammert zielten mit Reformvorschlägen auf die Ausgleichsmandate und scheiterten beide. Welches Böse hätten Sie gern?

In Londonderry hat es Ausschreitungen gegeben, die Journalistin Lyra McKee wurde getötet. Bricht der Nordirland-Konflikt nun wieder auf – und was hätte das mit dem Brexit zu tun?

Es deutet an, wie alptraumjäh der Krieg wieder losbrechen kann: Ohne „back stop“ können sich alle Irren, Iren und Nicht­iren auf irgendeinen Gott und Vaterland berufen und einander gegenseitig umbringen. Mit Aspekten eines Religionskrieges, was zu Demut gegenüber „rückständigen Kulturen“ anhält.

Und was machen die Borussen?

Stimmt gar nicht, dass die Bayern bei knappem Spiel in der 93ten einen Elfer geschenkt bekommen. Manchmal fliegt auch in der 58ten ein Gegner vom Platz.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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