Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Bayernfreier Handball-Zauber, Lungenärzte mit Aluhut und schon wieder ein Grund, Trumps Präsidentschaft infrage zu stellen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Sack Reis voll eifersüchtig.
Und was wird besser in dieser?
Irgendjemand ist Dschungelkönigin geworden.
Angela Merkel und Emmanuel Macron haben in Aachen einen neuen Freundschaftsvertrag zwischen Deutschland und Frankreich unterschrieben. Wann heiraten wir die Franzosen? Und ist die enge Verbindung eigentlich gut oder schlecht für die Europäische Gemeinschaft?
„Wenn sonst schon keiner etwas für die europäische Einigung tut, tun wir auch nichts, haben uns aber sehr lieb dabei!“ – so wird’s gelesen. Der Aachener ergänzt den Epochen wendenden Élysée-Vertrag von 1963, und wollte man jeden Vertrag so sensationell gestalten wie den ersten, hätte man sich diesmal auf eine Länderfusion binnen zehn Jahren einigen müssen. Das war ein großer Wurf. Wir sind ja im Wiedervereinigen inzwischen auch ein bisschen zögerlich geworden.
Macron hat für seine Heiratsanträge einen netten Nachmittag bei den Schwiegereltern bekommen, Merkel lächelt die fällige Antwort nun zwei Jahre ins Nichts. Da „Europa“ bisher ein Ringelreihen um ein sozialpolitisches schwarzes Loch scheint, wären ein deutsch-französischer Mindestlohn, kompatible Sozialversicherungen, Angleichungen im Steuertarif nächste große Würfe. Diesmal hat’s nur fürs Händchenhalten unter strenger Aufsicht verkrachter Familien gereicht.
Über neun Millionen Menschen sahen die Spiele der Handball-Weltmeisterschaft. Was ist nur aus dem weltmeisterlichen Fußball geworden?
„Handball ist kein Metropolensport“ – was immerhin verheißt, dass sich kein HC Bayern München flugs an den Siebenmeterkreis durchkauft und Zauber gegen Langeweile auswechselt. Noch haftet ihm auch viel sportleistungskurshaftes an, kein Prollsport, und obendrein: Fürs bloße Betrachten eines „normalen Remplers“ unter Handballern würde ein Fußballer nach dem Mannschaftsarzt rufen. Nach dem Wintermärchen 2007 zerstob der nationale Taumel; der Verband will nun die „nahbaren, tollen Typen mit Profil und Charakter“ medial präsent halten. Nüchtern betrachtet: Mehr als die Hälfte aller Spieler in den beiden Finales verdient ihr Geld schon bei deutschen Clubs. Noch mehr Aufsehen gleich noch mehr Kohle gleich noch mehr bäh.
In Venezuela ernennt sich Parlamentspräsident Juan Guaidó selbst zum Interimsstaatschef. Könnte man mit dieser Methode auch die Probleme in Washington lösen?
Nancy Pelosi scheint da auf einem guten Weg.
Der langjährige Trump-Berater Roger Stone ist in Florida verhaftet worden. Der Anfang vom Ende der Ära Trump?
Sorry, die „Anfänge vom Ende“ summieren sich und begannen ungefähr am Tag seiner Inauguration.
Ein Lungenarzt findet, dass die Stickoxid-Grenzwerte abgeschafft werden sollen, weil sie willkürlich seien. Bilden wir uns die schlechte Stadtluft nur ein?
Von viertausend angeschriebenen Lungenärzten haben gut hundert die Grenzwerte und Folgen infrage gestellt. In der seriösen Wissenschaft gehört ein Blindtest dazu, und so freuen wir uns, wenn sich von viertausend Physikern über hundert zum Aluhut bekennen.
Laut einer ZDF-Umfrage ist jeder Zweite in Deutschland für ein Tempolimit von 130km/h auf unseren Autobahnen. Warum kommt es dann nicht einfach mal?
Saß diese Woche in einem flammneuen Leihwagen, der mich von Überholwarnung, Routenvarianten, Anschnall-Alarm, Tempomat-Stufe bis Schaltvorschlag so durchbevormundete, dass ich erwog, für den Fall meiner Demenz ihn als meinen gesetzlichen Vormund einzusetzen. Er brächte mich allein zur Arbeit und ein paar Fernsehkonzepte rotzte er sicher auch noch runter. Der deutsche Kraftfahrer wird mählich von Assistenzsystemen übermoost, offenbar will er das – bis auf eine technisch vermutlich eher schlichte Drossel bei 130. Das Auto kann alles, also bestehen wir auf unser Recht zum frei gewählten Verkehrsunfall.
Im ganzen Land demonstrieren Schüler jetzt jeden Freitag für mehr Klimaschutz und lassen dafür den Unterricht sausen. Was sollen Lehrer ihnen dafür ins Zeugnis schreiben, einen Tadel oder einen lobenden Vermerk?
Puh, Vorwarnung Protestgeheul aus dem Schülerrat: Das Lehrpersonal sollte seine Themen drauf einrichten und mittelfristig so Teilnahme am Unterricht sichern.
Und was machen die Borussen?
„Ihr Schicksal – unsere Mahnung“, Banner zum Jahrestag der Auschwitz-Befreiung beim Heimspiel gegen Hannover. Schon klar, da lungern keine 81.000 Antifaschisten im Stadion, doch die schon auch.
Fragen: Markus Kowalski, Waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen