Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Die Bundesregierung ist bei Puigdemont machtlos, ein Pornostar wird Trump nicht stürzen und Christen solidarisieren sich mit Muslimen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Die SPD vergisst Münteferings goldenen Satz „Die Wirtschaft ist für die Menschen da“. Und nimmt der Wirtschaft die überflüssigen Menschen ab.
Und was wird besser in dieser?
Müntefering wird die SPD nie vergessen.
Die Affäre um den in London vergifteten russischen Ex-Geheimdienstler Sergei Skripal geht weiter: 17 EU-Staaten, die Nato und sechs weitere Länder weisen russische Diplomaten aus. Russland weist seinerseits ebenfalls Diplomaten aus. Gibt es noch eine Chance für bessere Beziehungen zu Russland?
Das war ein weiter Weg zu dieser 179-Grad-Wende: Gedankenspiele über einen Nato-Beitritt Russlands gab es, Kanzlerin Merkel sagte taktierend, man müsse „die Russen erst mal fragen, ob sie das wollen“. Ex-Verteidigungsminister Rühe hatte dafür plädiert, „den Russen die Tür zu öffnen“. Putin ließ ausrichten, er habe Kollege Clinton drauf angesprochen. Das ist acht Jahre her. Heute begründet sich die Nato neu am gemeinsamen Feind Russland. Bundestagspräsident Schäuble lockt mit der Hoffnung, so viel Solidarität werde gar den Brexit aufhalten; Außenminister Maas begnadigt seine Hilflosigkeit zu „einem notwendigen und angemessenen politischen Signal“. Beide räumen so indirekt ein: sachgrundlose Befrostung.
Die russische Urheberschaft am Mordanschlag auf Familie Skripal ist so bewiesen wie Massenvernichtungswaffen im Irak. Darauf weist Ex-EU-Kommissar Verheugen hin. Merkel, Rühe, Verheugen, auch die grüne Grande Dame Vollmer – da steht ein Häuflein naiver Putinversteher gegen seriöse Charaktere wie Trump und Johnson. Eine Kernaufgabe der deutschen Außenpolitik ist: Ausgleich mit Russland. Das ist nach zwei Weltkriegen keine Folklore oder Zivildienst und zudem Ausweis gelegentlicher Teilnahme am Erdkundeunterricht: Wir bewohnen einen Kontinent und sind eher Russlands Westküste als die Ostküste der USA. Es gibt, in Schemen, den Nato-Russland-Rat, es gibt verschiedene Dialogformate wie den Petersburger, und es gibt hoffentlich bald eine eigenständige deutsche Außenpolitik.
In Frankreich wird eine Holocaust-Überlebende in ihrer Wohnung ermordet, angeblich aus antisemitischen Motiven. An einer Berliner Schule wird ein jüdisches Mädchen bedroht. Und in Großbritannien heißt es, Labour-Chef Jeremy Corbyn toleriere Antisemitismus in seiner Partei. Was soll man dazu sagen?
Na ja: Schande! Der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster fordert ein „niedrigschwelliges Angebot zur Erfassung antisemitischer Vorfälle in der gesamten Bundesrepublik“. Und Unions-Fraktionschef Volker Kauder verwandelt sicher und regt an, Schulen zu verpflichten, „judenfeindliche Vorfälle der Schulverwaltung zu melden“, damit die Kultusbehörden „schulübergreifende Maßnahmen prüfen können“. So weit, so gut, so schlecht – dass das nötig scheint, zeugt vom Übel. Aber: Dass durch diese Maßnahmen aus pubertärem Hammelblöken ein gesellschaftlicher Trend gedeutet werden kann, erfreut bald womöglich auch die Judenhasser. Das wäre noch übler.
Kardinal Marx rief am Karfreitag alle Christen in Deutschland dazu auf, sich mit Muslimen zu solidarisieren. Ein bedeutsamer Akt in Zeiten von zunehmender Spalterei?
Natürlich hat es für viele Katholiken jesusmäßigen Wumms, wenn der deutsche Oberhirte zur Begegnung bittet. Wenn Marx die Muslime fertig integriert hat, kann er mal auf die Protestanten zugehen.
Der Posterboy der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, Carles Puigdemont, ist in Deutschland festgenommen worden. Was soll die Bundesregierung machen?
Die Bundesregierung hat formell nichts zu sagen, seit 2004 macht der „Europäische Haftbefehl“ die Justiz zur alleinigen Entscheiderin. Das Gericht prüft, ob die vorgeworfenen Straftaten auch in Deutschland kriminell wären. Bei „rebellion“, etwa „Hochverrat“, wird das heikel; bei „sedicion“, also „Aufruhr“, fehlt vor allem das Merkmal Gewalt. Da Puigdemonts Volksabstimmung mit Steuergeld finanziert wurde, dürfte der Vorwurf „Veruntreuung“ greifen, das ist auch bei uns strafbar. Hinzu kommen Korruptionsvorwürfe. Deutschland bekam letztes Jahr den Naziprediger Horst Mahler von Ungarn zurück; die Bundesregierung wird den EU-Haftbefehl respektieren, anders als „Internationale Haftbefehle“ etwa der Türkei, die nicht der EU angehört. Hoffentlich, das wäre auch gut für den absehbaren Haftbefehl Erdoğans zum Prozess gegen Deniz Yücel.
Außenminister Heiko Maas wirbt in Israel für ein besseres deutsch-israelisches Verhältnis und vor der UNO für einen ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat. Wie beurteilen Sie seine Auftritte?
Vor einem Jahr hatte MP Netanjahu Maas' Vorgänger Gabriel sitzen lassen, weil der sich mit regierungskritischen NGOs getroffen hatte. Maas blieb leise, in der Traditionslinie der israelisch-deutschen Freundschaft, und verzichtete gleichwohl nicht auf Hilfszusagen an die Palästinenser. Well done. Der deutsche Traum vom Sitz im Weltsicherheitsrat wurzelt in Zeiten Kanzler Kohls; hier mischen sich der Wunsch nach Bedeutung und die Selbsttäuschung, Frieden ohne Deutsche sei ja kaum zu machen. Umgekehrt: Sitzt Deutschland einmal im Weltsicherheitsrat, kommen wir aus den heillosen Militäreinsätzen im Ausland nicht mehr raus.
Geburtenboom in Deutschland: 2016 kamen so viele Kinder zur Welt wie seit 1996 nicht mehr. Ist Sarrazin widerlegt?
Hatte der auch was gegen Geschlechtsverkehr? Ich hab das alles nicht gelesen, sorry.
Stephanie Clifford, bekannt als Pornostar Stormy Daniels, hat über ihre Affäre mit Trump geredet. Wird sie es schaffen, ihn zu stürzen?
Trump über eine Affäre stürzen zu wollen ist so aussichtsreich, wie einen Hund des Bellens zu bezichtigen.
Und was machen die Borussen?
Ich dachte, 6:0 gegen Bayern zu verlieren ist schlimm. Dann las ich, dass der BVB Matthias Sammer als Berater verpflichtet.
FRAGEN: ACS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren