Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Warum Erdoğan der große Nutznießer des Putschs sein könnte und die SPD die Finger vom Wirtschaftsministerium lassen sollte.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Dass an Auswahl kein Mangel war.
Und was wird besser in dieser?
Nichts, aber ich bin im Urlaub.
In der Türkei wird gegen Präsident Erdoğan geputscht. Oder hat der das alles inszeniert? Oder steckt tatsächlich der Prediger Fethullah Gülen dahinter? Wir sind verwirrt. Bitte helfen Sie uns.
Da Gülen lange hinter Erdoğan steckte, könnte der sich auch gleich selbst verhaften lassen; viele sonst scheinen ja auch bald nicht mehr übrig. Gülen betreibt Nachhilfeschulen, mancher junge Militär mag also irgendwann mal auch bei Gülen gewesen sein, den Rest erledigt die Propaganda. „Wem nützt es“, „cui bono“ schlug Cicero zur Entwirrung solcher Lagen vor, und Seneca setzte mit „Cui prodest scelus, is fecit“ noch eins drauf: „Wem das Verbrechen nützt, der hat es begangen.“
Der deutsche „Reichstagsbrand“ wurde von den Nazis den Kommunisten angedichtet; die Nazigegner hielten es für eine NS-Inszenierung, doch beweisbar scheint bis heute nur die vergleichsweise langweilige Einzeltätertheorie. Ergo: Auch „cui bono“ führt zu hübschen Verschwörungstheorien, nicht zu Verwörungspraktikern. Die Frage lenkt derzeit also nur ab davon, wie das „Geschenk Gottes“ (Erdoğan) genutzt wird. Wer nach einem Militärputsch noch Muße hat, auf eine religiöse Bewegung und die eigene Justiz loszugehen, fühlt sich seiner Militärs trotz allem schon recht sicher. Nützlich an der fiebrigen Nacht mag die Schaltsekunde sein, in der man sich fragte: Wäre eine kemalistische Militärdemokratur nicht bereits besser als Erdoğans Zivildiktatur?
Terror in Nizza. Was soll man da noch sagen?
Manche empfehlen „psychisch gestörter Einzeltäter“ statt „Terror“.
Theresa May ist neue Premierministerin Großbritanniens. Boris Johnson wird ihr Außenminister. Ein Dreamteam?
Absolut. Gute britische Regierungen erkennt man daran, dass „Monthy Python“ auch nicht viel anders besetzt hätte. Ob Johnson nun das „Ministry for silly walks“ oder das für „needless neighbours“ leitet, mag ihm bei guter Bezahlung gleich sein, ihm liegt ja beides. May lässt mit der Berufung offen, ob das eine Art Sicherheitsverwahrung werden soll, Bewährungsstrafe oder ein Maskottchenschwindel für Ukip-Wähler. Immerhin sind die Briten gewohnt, dass der Prinzgemahl ab und zu unberechenbaren Bullshit raushaut.
Sigmar Gabriel wurde verboten, Supermarktketten zu fusionieren, wenn er dabei unter der Hand mauschelt. Was sollte man ihm noch verbieten?
Gabriel hat beim Klima den Kohlebaronen Freude gemacht, bei den Erneuerbaren der Stromlobby, beim Export den Waffenherstellern und bei TTIP den Amerikanern. Zugegeben, vier Kernzielgruppen der Sozialdemokratie. Das Wirtschaftsministerium scheint kein guter Aufbewahrungsort für SPD-Minister; Schröder war so bauernschlau, seinen parteilosen Kumpel Müller dort Ministererlaubnisse verteilen zu lassen für seltsame Fusionen. Clement entfremdete sich der SPD im Amt, nach ihm spaßfunkelten Glos, Guttenberg, Brüderle und Rösler als WiMis. Diese Galerie kann man auch als komplizierte Formulierung lesen für „komplett wumpe, wer da rummacht“. Das Wirtschaftsressort nutzt der SPD wenig. Sollte Gabriel bei einer Lüge im Supermarkt-Streit ertappt werden, kann es ihm den Hals brechen.
Peer Steinbrück hat angekündigt, Ende September sein Bundestagsmandat abzugeben. Was geben Sie dem früheren Finanzminister und Kanzlerkandidaten mit auf den Weg?
Im Bundestag sitzt seit 2013 eine rot-rot-grüne Mehrheit. Dass wir stattdessen von Merkel und ihrem beflissenen Sozialbeirat regiert werden, dankt sich zu gleichen Teilen dem Wahlkampf Steinbrücks. Er schloss R2G aus und brachte nichts anderes zuwege als eine neue Groko. Sein dringender Wunsch, Kanzlerkandidat zu werden, hat Deutschland vier Jahre Pausentaste beschert.
Die Berliner Polizei ließ das besetzte Haus in der Rigaer Straße räumen. Nun entschied ein Gericht: Das war rechtswidrig. Wie halten Sie es mit den Hausbesetzern?
Wenn 300 Polizisten einem rechtswidrig die Bude stürmen – wen ruft man da? Die Polizei? Oder nach einem zünftigen „Einsatz der Bundeswehr im Inneren“? „Könntet ihr euch bitte gegenseitig verhaften“? Der Applaus des Innenministers für das Versagen des Berliner Innensenators enttarnt die ganze Nummer als CDU-Wahlkampf.
Und was machen die Borussen?
Die Anhänglichkeit an einen treulosen und schlimm überschätzten Spieler wirft eine interessante Frage auf: Wo endet „gefühlig“ und wo beginnt „saudoof“? Oder eben: Götze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins