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Die WahrheitHalb vergrabene Leichen

Im 19. Jahrhundert exportierten irische Immigranten etwas in die USA, das, aufgeblasen zu Halloween, als überdimensioniertes Volksfest zurück kam.

D ie Iren hätten sich Halloween patentieren lassen sollen. Der Geburtsort von Samhain, wie die Kelten es nannten, bevor es zu Halloween mutierte, liegt in der sonst wenig aufregenden Grafschaft Roscommon. In der Nähe des Örtchens Tulsk findet man Uaimh na gCat, was übersetzt entweder „Höhle der Katzen“ oder „Tor zur Hölle“ heißt. Letzteres klingt plausibler.

Der Journalist Conor Pope hat die 5.500 Jahre alte Höhle besucht und versichert, es sei darin so stockfinster, dass selbst der Leibhaftige nicht hinausfände. Sie führt 37 Meter unter die Erde. Die Besucherzahl ist in diesen Tagen im Interesse der Höhle auf 300 Menschen begrenzt.

Die Nacht des 31. Oktober markierte bei den Kelten das Ende der hellen und den Beginn der dunklen Jahreszeit. Dazwischen lag das Niemandsland, und es sind nicht nur die Toten, die dann aus dem Jenseits zurückkehrten, sondern auch Feen, Elfen, Kobolde und Dämonen, die nichts Gutes im Schilde führen. Heutzutage sind das die Kinder. Wehe dem, der nicht genügend Süßwaren oder Bargeld zu hause hat, wenn die Monster klingeln.

Die Druiden entzündeten zu Samhain ein heiliges Lagerfeuer, während die Feuer in den Haushalten gelöscht und nach den Feierlichkeiten mit den Flammen des Lagerfeuers wieder entzündet wurden, da man glaubte, dass dieser Brauch die Menschen im Winter schützen würde. Ein Tourismusveranstalter will die keltischen Rituale gewinnbringend wiederbeleben. Er bietet Fahrten in schweren Limousinen zu den heiligen Stätten der Kelten an. Würden die Limousinen dann zum Sonnenaufgang angezündet, wäre die Sache halbwegs authentisch.

Dolle Furcht vor Clowns

Mehr als die Hälfte der irischen Erwachsenen hat Angst vor Halloween, während jüngere Menschen sich mehr vor Clowns fürchten – zu Recht, sitzen die doch im Dubliner Parlament und treffen bisweilen Grauen erregende Entscheidungen. Dagegen sind die zu Halloween auftretenden dreiköpfigen Aasgeier, die jegliche Vegetation absterben lassen, oder der Dallachán, eine hässliche kopflose Erscheinung, geradezu liebenswert.

Früher hat man in Irland Rüben ausgehöhlt und Gesichter daraus geschnitzt. Nachdem irische Emigranten im 19. Jahrhundert das keltische Totenfest in die USA exportiert haben, wurde es zu Halloween aufgeblasen und kam als überdimensioniertes Volksfest zurück nach Irland. Nun sind hüben wie drüben die Gärten selbst der langweiligsten Vorstädte mit Zombies, Vampiren und halb vergrabenen Leichen geschmückt, und statt der Rüben höhlt man orangene Kürbisse aus.

Offenbar sind auch die gefürchteten irischen Feen in die USA ausgewandert, wo sie – wie es ihre Art ist – junge Knaben stehlen und stattdessen böse Wechselbälger hinterlassen. Einer von denen ist später sogar Präsident geworden. Oder ist er in Wirklichkeit ein hohler Kürbis? Hütet Euch vor Halloween!

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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