Die Wahrheit: Primaten im Blick der Parteien
Vermehrte Affendiebstähle in Deutschland lassen jetzt sogar die Politik reagieren, die das brisante Thema in den Mittelpunkt des Wahlkampfs rückt.
Eine neue Form des Verbrechens breitet sich in Deutschland mit erschreckendem Tempo aus: der Affendiebstahl. Im Frühjahr dieses Jahres wurde aus dem Leipziger Zoo bereits die Bartaffendame Ruma entwendet. Das Tier wurde erfreulicherweise wenig später in einem Baum im Stadtteil Reudnitz von einem Passanten entdeckt und konnte unverletzt in ihr Gehege zurückgebracht werden. Die Kidnapper, Mitglieder einer kriminellen Jugendbande, sind in Untersuchungshaft, ihnen drohen mehrjährige Gefängnisstrafen. Das Chemnitzer Amtsgericht hat allerdings vorerst kein Urteil gegen die drei jungen Männer verhängt, sondern den Fall ans Landgericht verwiesen.
Doch der Fahndungserfolg schreckt Nachahmungstäter offenbar nicht ab. Jüngst brachen Unbekannte im sächsischen Wildpark Altenberg-Geising ein und entwendeten drei Weißbüschelaffen. Wie lässt sich diese Serie von Tierentführungen beenden? Wir haben die deutschen Parteien nach ihren Lösungsvorschlägen gefragt.
Die Pressestelle der SPD antwortete nur mit einem kurzen Statement, in dem sie betonte, Olaf Scholz sei der beste Bundeskanzler, den Deutschland je gehabt habe und jemals haben werde. Der stellvertretende Pressesprecher der CDU äußerte sich schriftlich wie folgt: „Die CDU Deutschlands und der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz stehen für klare Kante gegen Kriminalität. Wir fordern eine vollständige Videoüberwachung aller Zoos in Deutschland, die Einrichtung einer Soko ‚Primat‘ beim BKA sowie die konsequente Abschiebung aller Affendiebe, auch nach Afghanistan, Syrien, Somalia und in die Antarktis.“ Auf unsere Nachfrage, woher Friedrich Merz denn wisse, dass alle Affendiebe Ausländer seien, reagierte die CDU nur noch mit einem Zwinker-Smiley.
Jugend verwirrt
Die AfD erklärte, das Problem des Affendiebstahls entstehe überhaupt erst aufgrund einer bedenklichen Überfremdung der deutschen Tiergärten. Die Einfuhr undeutscher Tierarten aus dem Ausland müsse unverzüglich beendet werden. In den Zoos gehe es auch ohne Diebstähle schon lange viel zu bunt zu. Der Anblick von exotischen Tieren könne die deutsche Jugend verwirren und sie zu artfremdem Paarungsverhalten ermuntern. In deutschen Tiergärten werde nach der Machtergreifung der AfD ein umfangreiches Remigrationsprojekt in Angriff genommen, um endlich wieder mehr Raum für Rothirsch, Reichsadler und Deutsche Edelziege zu schaffen.
Für die Partei Bündnis 90/Die Grünen äußerte die noch amtierende Bundesumweltministerin Steffi Lemke, man verurteile die gewaltsame Entführung von Affen auf das Schärfste, stehe jedoch auch der Haltung von Exoten in Gefangenschaft kritisch gegenüber. Kein lebendes Wesen habe es verdient, eingesperrt zu werden und hinter Gittern leben zu müssen – höchstens Flüchtlingskinder an den EU-Außengrenzen.
Die FDP erwiderte auf unsere Anfrage, die Diebstähle seien bedauerlich, da sie dem Schutz des Eigentums zuwider liefen. Zugleich plädiere die Partei für eine weitgehende Liberalisierung des Affenhandels, um der Beschaffungskriminalität die Grundlage zu entziehen. Wer sich einen Primaten leisten wolle, müsse die Freiheit dazu bekommen, ein Tier legal zu erwerben. Zahlreiche Mitglieder des Parteivorstandes der FDP hätten schon gute Erfahrungen damit gemacht, ihr politisches Verhalten mit Hauspavianen zu trainieren.
Ketten verloren
In einer Pressemitteilung verkündete die Partei Die Linke, sie stehe geschlossen und unverbrüchlich an der Seite der Affen. Die Affen hätten nichts zu verlieren als ihre Ketten. Da Eigentum Diebstahl sei, könne auch der Privatbesitz von Affen nicht gerechtfertigt werden. Dennoch sei die gewaltsame Entführung von Affen falsch, da das Friedensgebot über allem stehe. Die Linke sei also in Sachen Affenentnahme entschieden und mit voller Kraft sowohl dafür als auch dagegen, genau wie in allen anderen Fragen ebenso.
Die Pressestelle des BSW erklärte, man könne derzeit nicht abschließend sagen, ob man Affendiebstähle begrüße oder verurteile, da man Sahra Wagenknecht telefonisch leider noch nicht erreicht habe, um sie zu fragen, was man denken solle. Wagenknecht befinde sich zurzeit mit ihrem Mann im Arbeitsurlaub auf den Seychellen, wo sie intensiv darüber reflektiere, wie man das Schicksal des kleinen Mannes verbessern könne. Störungen habe sie sich verbeten.
Zuletzt fragten wir selbstverständlich auch noch die Tierschutzpartei, was sie vom jüngsten Affendiebstahl in Altenberg-Geising halte, der ja ihr ureigenes politisches Thema betreffe. In einer ersten, kurzen Rückmeldung baten die Tierschützer um etwas Geduld. Das Bekennerschreiben sei noch nicht ganz fertig.
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