Die Wahrheit: Reiten auf Stelzenelefanten
Irgendwo in dieser vermaledeiten Welt muss es doch einen Glitch oder ein Wurmloch geben als Ausstieg in eine andere Ebene. Ist es das Café Gum?
A ls Theo das Café betrat, kroch Raimund gerade unter die große Eckbank. „Was ist nun wieder los?“, rief Theo. „Hat Petris dich dazu verdonnert, die besonders vernachlässigten Ecken des Gum zu putzen, weil dein Deckel astronomische Dimensionen erreicht hat?“
Petris, Wirt des Café Gum, stand wie üblich mit unbeteiligter Miene hinter der Theke und trocknete Gläser. „Blödsinn“, presste Raimund mit gequetschter Stimme hervor: „Ich suche den Glitch. Er ist garantiert hier in der Ecke.“
„Glitch?“, fagte Theo: „Wat is dat dann?“ – „Sagt dir nichts?“ Raimund kroch, die Haare voller Spinnweben, unter der Bank hervor. „Glitches“, erklärte Luis, „sind Programmierfehler in Computerspielen. Dadurch kann man in dem Spiel an manchen Stellen zum Beispiel durch Wände hindurchgehen. Wenn man weiß, wo sie sind, kann man sich Vorteile verschaffen, die nicht vorgesehen sind.“
Theo zog die Stirn kraus. „Aber das hier ist kein Computerspiel“, brummte er: „Es nennt sich Realität, und die wurde nicht programmiert.“ – „Nicht?“, grinste Raimund: „Und was sagst du dazu: ‚Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht‘? Wenn das kein astreiner Algorithmus ist!“
„Wusste gar nicht, dass du wieder einen Vertrag mit Gott hast und an die Schöpfungsgeschichte glaubst“, sagte Theo: „Ich denke, du bist Wissenschaftler und Atheist.“ – „Bin ich auch“, antwortete Raimund. „Ich dachte nur, dass diese Kindergeschichte für dich einfacher ist als ein Vortrag über Wurmlöcher und harte Physik. Bei solchen Themen verstehst du ja nur Bielefeld Hauptbahnhof.“
„Wurmlöcher?“, fragte Theo. – „Sag ich doch“, sagte Raimund. „Wurmlöcher sind Löcher im Weltall, die Zeitreisen möglich machen“, erklärte Luis. Raimund nickte. „Und was Wurmlöcher im All sind, sind Glitches hier auf der Erde!“ – „Zeitreisen?“, stotterte Theo. „Und wohin soll die Reise gehen?“
„Wir könnten dafür sorgen, dass eine ungarische Gräfin mit viel Geld und bizarrem Geschmack um das Jahr 1910 einen Narren frisst an den schauderhaften Aquarellen des Kunstmalers Adolf H. und er über Nacht zum Star der Wiener Boheme wird“, sagte Raimund. „Schon würden Sammler Höchstpreise bieten, Museen sich um die grässlichen Bildchen reißen“, ergänzte Luis. „Und Hitler“, fuhr Raimund fort, „besoffen von der Begeisterung, ließe alle Pläne für Holocaust und Weltkrieg fahren und suhlte sich den Rest seiner Tage im unverhofften Ruhm.“
„Puh“, machte Theo. „Aber dafür müssten wir die ganzen Hitlers in den Museen ertragen.“ – „Ich wäre bereit, den Preis zu zahlen“, sagte Luis. „Man könnte ja die Wabbeluhren und Stelzenelefanten von Dalí dafür abhängen, da wäre der Verlust nicht so groß!“
„Und wir“, seufzte Theo, „reiten dann auf den Stelzenelefanten ins Reich der Freiheit, oder was?“ – „Genau!“, sagte Raimund begeistert und ging wieder unter der Eckbank tatendurstig auf Tauchstation.
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