Die Wahrheit: Der Drache und das Goldwasser
Der Knoten in den Akten. Eine Fortsetzungsgeschichte der etwas anderen Art (Teil 4). Heute: Wie es sich zuspitzte …
Was bisher geschah: Rechtsanwalt Doktor Schrunz muss für seinen einzigen Klienten Röder so schnell wie möglich einen Knoten auftreiben, da dieser sich mit den chinesischen Triaden angelegt hat. Die Bande besteht aus drei ehemaligen Triathleten, die Schrunzens Mutter auftragsgemäß um die Ecke und nun Röder in ihre Gewalt gebracht haben – der einzige Weg, um einen Schatz von unermesslichem Wert aus ihm herauszupressen …
Irmina Hornbachs Stimme klang am Telefon über alle Maßen aufgeregt, denn sie redete nicht alle Tage mit einem Mitglied der chinesischen Triaden. Dennoch herrschte sie ihre alte Sandkastenbekanntschaft Müller an: „Heinz, verdammt, diese Geschichte wächst uns allen über den Kopf!“
Sie hatte ihn immerhin schon gekannt, bevor er kommerziell kriminell geworden war! So fuhr sie unverdrossen fort: „Lass uns uns gleich zur Mittagsstunde in der Spelunke Zur alten Dschunke am Tresen treffen – ein bisschen quasseln, schön einen zwitschern und die leidige Sache mit Röder vom Tisch räumen. Um der alten Zeiten willen! Und bring deine beiden Kumpaneros mit.“
„Na gut!“, zischte Müller wütend. Ein Meeting mit Schrunzens Braut konnte gewiss nicht schaden. Er nickte seinen Buddys Meier und Schulz zu: „Abmarsch, Jungs! Spelunkenzeit. Schön saufi-saufi machen!“
Ungeheuer im Getränkelager
Kaum waren die drei um die Ecke, nicht ohne Röder vorher an der Heizung festgekettet zu haben, da sprang eine Fensterscheibe klirrend in Stücke. Eine Person in einem seidenen Handwerkeroverall wand sich ächzend in den Kellerraum. Es war … Schrunz!
„Was machen Sie denn hier?“, zürnte Röder, als er den gut gekleideten Paragrafenverdreher erkannte. „Sie sollen doch diesen verfickten Knoten besorgen!“
„Ganz neues Gesetz in Kraft getreten“, log Schrunz cool wie ein gefrorener Mozzarellastick. „Knoten besorgen seit 1. August verboten! Also muss ich Sie jetzt eigenhändig befreien, um die Chance auf mein üppiges Honorar zu wahren. Meine Zuckerschnecke Irmina lenkt derweil die Triaden ab.“
Röder hob gerade zu eine Tirade gegen die Triaden an, in der er ganz nebenbei fallen lassen wollte, wohin sich Schrunz sein Honorar angesichts dieser ungeheuerlichen Pflichtverletzung stecken könnte, als sich plötzlich fauchend ein ungeheures Echsenungetüm in das Hobbykellerverlies drängte. Es hatte dem auf mysteriöse Weise zu Tode gekommenen Onkel Donald gehört. Zuvor hatte es im Getränkelager nebenan auf die Vorräte von Danziger Goldwasser aufgepasst, die mittlerweile leer geräumt waren. Jetzt postierte es sich haargenau ausgerechnet zwischen Mandant und Auftragnehmer.
„Na, was haben wir denn da?!“, wunderte sich Schrunz.
Einen Komodowaran haben wir da!
Toxisches Verhalten
Das sechs Meter lange, abstoßend hässliche Drachentier ließ Schrunz nicht aus den Augen und züngelte unansehnlich mit seiner gespaltenen Zunge umher.
„Untersteh dich, mich zu beißen!“, grunzte Schrunz. „Ich, äh … bin Doktor der Jurisprudenz!“
Komodowarane verfügten nämlich, wie jedermann wusste, nicht nur über ein hochwirksames Gift aus Drüsen in der Mundhöhle, das ihre Opfer lähmte und oft direkt tötete, sondern auch über bakterienhaltigen Speichel, der bei den zunächst Überlebenden Stunden später zu Blutvergiftung und schrecklicher Sepsis führte.
Die tückische Bestie tapste zischend und züngelnd auf Schrunz zu. „Ich … muss … Onkel Donald … rächen!!!“, pochte es durch sein bösartiges kleines Reptiliengehirn.
„Was ihr euch da gemeinhin leistet, das ist, äh …, zutiefst toxisches Verhalten!“, rief Schrunz dem graugrünen Monster unerschrocken entgegen, während er nach einer Lösung für dieses hochkomplexe Problem suchte. Sein messerscharfer Verstand arbeitete wie eine hochpräzise Maschine – wie ein digitaler Radiowecker, der mit infernalischem Piepen ansprang, als Schrunz den genialen Plan endlich gefunden hatte.
Schrunz funzt
Er fokussierte seinen stählernen Blick hinter der brandneuen Brille auf die ausdruckslosen Augen der tumben Echse und begann, sie mithilfe der gefürchteten Rimski-Korsakow-Methode zu hypnotisieren. Er spürte dabei, wie die bedrohlichen Wülste unter seinen Lidern zurückkehrten. Das knurrende Ungetüm kam näher und näher. Schrunz roch den fauligen Brodem des Biests, das nur noch etwa einen halben Meter entfernt war! Gerade holte es zum tödlichen Biss aus – als es mitten in der Bewegung erstarrte. In seinem garstigen Schädel begann es zu knacken.
„Das funzt, Schrunz!“, rief Röder wie aus der Ferne, klapperte froh mit seine Ketten und übertönte damit sogar den jähen Lärm, der die Rückkehr eines fröhlichen Haufen von Zechern ankündigte. Schrunzens Augen verengten sich zu Knoten, als er inmitten des Stimmengewirrs Irmina zwitschern zu hören meinte: „… ja, in aller Öffentlichkeit einen von der Palme gewedelt – wie in einem Gemälde von Baselitz oder Polke!“
Dann ließ sich inmitten des grölenden Gelächters plötzlich die beschwipste Stimme des Bandenchefs Heinz Müller vernehmen: „Mooo-ment, hicks! Was macht denn der Bentley hier vor der Haustür?!“ Der trunkene Triade öffnete die gewaltige Flügeltür der Gebrüder-Villa und traute seinen Augen nicht …
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