Die Wahrheit: Mein Leben als Wahl-O-Mat
Schon jetzt kann jederzeit gewählt werden – im Briefwahllokal. Ein Abenteuer für sich. Mit Kugelschreiber und manchen dummen Fragen.
I ch war schon wählen! Das geht nämlich auch vorher, per Briefwahl. Wobei ich den Brief gleich dort abgegeben habe, wo ich die Wahlunterlagen erhalten habe. Im Briefwahllokal, sozusagen.
Das Briefwahllokal war ein recht gediegenes Gebäude, das zahlreiche Bürgerämter beinhaltete, kurzum, es war ein Rathaus. Vielerlei Lampen bestrahlten ein geräumiges Treppenhaus, alles war gut ausgeschildert, es gab keine Schlangen. Ich musste nicht einmal eine Wartenummer ziehen.
Eine freundliche Beamtin wies mich an, hielt mich aber entweder für begriffsstutzig oder war es gewohnt, dass Leute dumme Fragen stellten. Ich stellte dann auch ein paar: Zum Beispiel die, ob es in der Wahlkabine einen Kugelschreiber gebe. Ja, den gab es.
Ich darf hier selbstverständlich nicht näher beschreiben, was in dieser Wahlkabine dann vor sich ging, schließlich gibt es ein Wahlgeheimnis. Doch so viel sei verraten: Es gab nur eine Wahlliste, die ich breit auseinanderfaltete, um zu schauen, was sich so alles anbot. Und ja, die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung stand tatsächlich auf der Liste, diese Partei ist kein Scherz, sie meint es ernst. Gewählt habe ich sie aber nicht.
Mein Kreuz trug ich woanders ein; was ungefähr den Vorgaben des Wahl-O-Maten entsprach, den ich vorher befragt hatte. Dessen Ergebnis war überraschend eindeutig – die Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung lief ferner unter ferner liefen. Ich faltete umständlich den einen Zettel in den einen Umschlag und dann den Umschlag mit dem zweiten Zettel, der irgendwas bestätigte, in den finalen zweiten Umschlag, den ich dann nach Austritt aus der Kabine in den Briefwahlbriefkasten warf, der aussah wie eine normale Wahlurne, fertig.
Gar nicht so schwer, das Wählen. Obwohl, das vorletzte Mal, als ich in Berlin gewählt habe, das war schon etwas komplizierter. Wenn ich mich nicht falsch erinnere, gab es da nicht weniger als fünf Zettel, die man irgendwie falten und in irgendwelche Umschläge hinein … Kein Wunder, dass die Wahl teilweise wiederholt werden musste; draußen standen die Leute schon Schlange.
Aber es kommt nicht auf den Vorgang an sich an, sondern auf den Inhalt. Also auf das, was man wählt, nicht auf das Wie. In meiner Ausweichwahlheimat Österreich zum Beispiel zeigen Schiebermützen eine gewisse Linksausrichtung an, daran kann man sich grob orientieren, während die bürgerlich-ökologische Mitte eher görenhafte junge Frauen in ihre Mitte stellt, die Politik als Seifenoper in bitchy zu verstehen scheint.
Die Sozialdemokraten sind erstaunlicherweise noch links, was ihnen aber genauso erstaunlicherweise weder jemand krumm nimmt noch gutrechnet, während „eine Stadt nach der anderen an die Kommunisten fällt“, wie es ein Freund so freundlich ausgedrückt hat. Ein schönes Land, wären da nur nicht all die Rechten. Aber die gibt es hierzulande ja auch.
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