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Die WahrheitAltmods beim Weekender

Das waren Mods: ein wahrer Bericht von einem Festival einer leider auch schon in die Jahre gekommenen Jugendkultur.

A m Osterwochenende war ich bei einem „Mod-Weekender“ in London, für das sämtliche Mitglieder der englischen Modszene (einer in den 1960-ern entstandenen, mehrfach revivalten Subkultur) aus ihren Höhlen gekrochen waren. Manche sahen auch so aus. Kenney Jones zum Beispiel, der 75-jährige Schlagzeuger der fantastischen „Small Faces“. Nachdem man Kenney auf die Bühne zum Schlagzeug geleitet und die Sticks in die gichtigen Hände gedrückt hatte, spielte er anstandslos ein Set aus Hits wie „Itchycoo Park“ und „All or Nothing“, während der Rest der Band stolz das Schläfenhaar schwang und ab und an mal nach hinten guckte, um sicherzugehen, dass der Greis die Toms traf.

Danach musste Kenney zurück unter das Sauerstoffzelt des Seniorenheims. Und die Party ging erst richtig los. Denn ich sag’s ja immer: Nichts weckt die Tanzfreude von Menschen über 50 so sehr wie ein paar Liter Bier. Darüber lassen sich fast die Knieschmerzen vergessen. Einige der Northern Soul-Fans blieben zwar beim Backdrop, einem klassischen Retro-Tanz-Move, auf dem Rücken liegen. Doch im Großen und Ganzen war die Stimmung hervorragend. Das mit dem gellenden Sound störte auch kaum – die meisten drehten einfach ihre Hörgeräte runter.

An der Bar im Veranstaltungsort hing ein Schild mit der Aufschrift „Wenn du das Glück hast, so auszusehen, als wärst du unter 21, wirst du dich ausweisen müssen.“ Aber den Ausweis zücken musste niemand.

Am zweiten Abend des Festivals verirrte sich aber tatsächlich ein junger Mann um die 20 in den Club. Die Aufregung war groß: Nachwuchs! Endlich! Frisches Modfleisch! Ähnlich wie der Feldhamster, der Atlantische Nordkaper und mehrere Lemuren-Arten ist die ehemalige Jugendkultur der Mods stark vom Aussterben bedroht, ihre Lebensweise (Bier, Fish, Chips) und das viele besoffene Rollerfahren tragen nicht dazu bei, das zu ändern.

Peninsula

Wie sich leider herausstellte, lieferte der junge Besucher seinem Vater nur einen Insulin-Pen an. Der Vater knöpfte schnell das Hemd über dem Bauch auf, hatte kein Problem, subkutanes Fettgewebe für die Spritze zu finden, und konnte danach wieder auf die Tanzfläche wetzen. Einen starken Eindruck hinterließ zudem ein Original-Mod, der seinen Gehstock beim Tanzen zusammenschob und hinter das Pochet in die Brusttasche steckte.

Die Modettes trugen hübsche, bunte Minikleider in A-Linienform, die natürlich anders an ihnen hingen als damals, aber nicht weniger bezaubernd. Vorher hatte ich ein Gesprächspanel zum Thema „Mod Style“ angehört, auf dem jemand sagte „I’m more a wearer than a starer“, das heißt soviel wie „Ich ziehe mich lieber selbst schick an, anstatt andere Leute anzuglotzen“. Quasi mein Lebensmotto: Schick friert nicht. Schick stinkt nicht. Und schick geht nicht in Rente.

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