Die Wahrheit: Ich, der Naturtelefononkel
Die wahren Helden und Heldinnen des Alltags sind an Telefonen zu finden, die einem guten Zweck dienen. Gehörte man doch nur selbst zu ihnen!
I ch muss mal wieder mein Karma auffüllen und auch meine Einnahmen. Daher springe ich beim Naturtelefon eines Naturschutzvereins ein. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon, als das Öko-Telefon dann klingelt. Mein erster Fall!
„Guten Tag, mein Name ist Professor Hohenstein, ich würde gerne spenden.“ Oha, sehr gut. Aber jemand, der sich schon als Professor vorstellt, erfordert natürlich besonderes Fingerspitzengefühl: „Das ist erfreulich, Herr Professor. Wir können Unterstützung gut gebrauchen.“ – „Das dachte ich mir“, sagt Herr Professor, „deswegen möchte ich die Vögel unterstützen. Mit Vogelfutter.“
Ich bin verwirrt: „Vogelfütterung ist nicht direkt eines unserer Projekte. Sie können uns gerne mit einer Spende unterstützen, davon profitieren letztlich auch Vögel.“ – „Nein“, widerspricht Herr Professor, „es soll eine zweckgebundene Spende zur Vogelfütterung sein. Also, ich dachte an einen Futtersack mit 5 Kilo. Kostet 4,99 Euro, habe ich im Internet recherchiert.“ – „Sie wollen uns 4,99 Euro spenden?“ – „Genau. Aber zweckgebunden. Für die Vögel im Winter.“
„Das ist sehr großzügig, aber ich fürchte, wir unterstützen eher andere Projekte …“ – „Sie wollen die Vögel verhungern lassen?“ – „Nein, wir kaufen zum Beispiel Naturgebiete an.“ – „Und darin füttern Sie dann die Vögel?“ – „Nein, da können die Vögel dann leben.“ – „Ohne Futter?“ – „In Naturgebieten füttert man nicht, das ist was anderes als in der Stadt …“ – „Sie lassen die Vögel einfach hungern?“ – „Es ist wirklich nicht unsere Aufgabe, Vogelfutter auszustreuen, das machen eher Hausbesitzer.“ – „Sie wollen, dass ich Ihnen für Ihre Vögel das Futter bezahle und dann auch noch Ihre Arbeit mache? Das ist ja wohl eine Unverschämtheit!“ Schon hat er aufgelegt.
Drei mal die Nachbarskatze
So geht das dann weiter: „Hallo! Ist da die Gartenvogelzählung? Also: Ich habe 3 Mal das Eichhörnchen, 2 Mal die Ratte, 2 Mal einen Hund, keine Ahnung, wo der herkam, dann 3 Mal die Nachbarskatze.“
Oder so: „Ich bin Schüler in der sechsten Klasse und muss ein Referat über den Grasfrosch halten.“ – „Ach ja. Das ist ja schön. Und was möchtest du wissen?“ – „Es soll fünf Seiten lang sein.“ – „Was?“ – „Fünf Seiten über den Grasfrosch, das sollte ja wohl kein Problem für Sie sein.“ – „Wie?“ – „Sie können mir das einfach per Mail schicken!“
Oder auch so: „Hallo, ich möchte ihnen gerne meine Dienste als Medium anbieten. Ich tanze jeden Abend eine Stunde einen spirituellen Ausdruckstanz um den Schlafbaum von Saatkrähen bei uns im Dorf. Wenn ich den Krähen eine Botschaft von Ihnen überbringen soll, kann ich Ihr Anliegen gegen ein angemessenes Honorar gerne vortanzen.“
Nach einem Tag bin ich fertig mit den Nerven. Ob ich wieder mal einspringe?, fragt die Obernaturschützerin. Ich schüttele traurig mit dem Kopf. Sie und ihre Leute, das sind wahre Helden des Alltags. Ich aber, das muss ich wohl einsehen, ich bin leider kein Held.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja