Die Wahrheit: Opas gegen rechts
Die alten Kumpel wollen auch demonstrieren gehen. Aber mit den Omas? Aber hallo! Dabei ist doch die scharfe Helene aus den Achtzigern.
T heo war völlig aufgekratzt, als wir ins Café Gum zurückkehrten. „Was für eine Demo, so viele Leute! Endlich kucken wir nicht mehr ratlos zu, wie die Nazis immer mehr werden!“, rief er begeistert.
Luis war weniger euphorisch. „Und was machen wir jetzt?“ – „Wie, jetzt?“, sagte Theo irritiert. – „Ja, meinst du, dass die Demo auch nur einen einzigen Klotzkopf davon abhält, die Nazis zu wählen?“ – „Tja …“, sagte Theo: „Was können wir denn sonst noch tun?“ – „Bier trinken gegen rechts“, kicherte Raimund. – „Yep!“, rief Theo. Sie strahlten Petris an, den Gumwirt, der schon am Zapfhahn stand.
Luis seufzte. Er fand das nicht witzig, und die zwei schwiegen betreten. Dann sagte Raimund: „Wir könnten eine Opas-gegen-rechts-Gruppe gründen.“ – „Ich bin kein Opa“, brummte Theo: „Ich bin Punk, und Punks sind forever nineteen!“ Er zeigte auf die alte Lederjacke mit der „Tunix“- und „Kotzen-for-freedom!“-Aufschrift, die er an hohen linken Feiertagen und auf Demos trug. – „Hast du im Spiegel mal die zerklüftete Faltenlandschaft in deinem Gesicht betrachtet?“, sagte Luis. „Außerdem siehst du in der Jacke aus wie ’ne Wurst, die aus der Pelle platzt.“
Theo schnaubte beleidigt. „Okay“, sagte er. „Und was machen Opas gegen rechts?“ – „Keine Ahnung“, sagte Raimund, „was machen denn die Omas gegen Rechts?“ – „Pullover aus omafarbiger Wolle stricken, auf denen ‚FCK AFD‘ steht“, grinste Theo. „Oder Kindern von Lastenradfahrern zum Einschlafen Heldengeschichten aus dem Spanischen Bürgerkrieg erzählen, während die Eltern bei Vollmond Fallobst sammeln.“
„Wir könnten die Omas ja fragen“, schlug Luis vor. Theo und Raimund schauten ihn ungläubig an. „Fragen?“ – „Was sie so machen“, sagte Luis. „Oder wir fragen gleich, ob wir nicht mitmachen können.“ – „Bei den Omas?“, stotterte Theo. – „Ja“, sagte Luis: „Statt eine Opa-Gruppe zu gründen. Wir sparen uns sauviel Arbeit.“ – „Kannst du stricken?“ – „Natürlich nicht. Ich nicht, du nicht, keiner von uns. Aber wir können reden, Flugblätter schreiben, die die Massen mobilisieren!“, rief Luis. – „Und die Girls hacken die dann in die Maschine wie damals in den Eighties“, grinste Raimund.
„Außerdem“, sagte Luis, „ist die schöne Helene auch dabei.“ – „Helly? Bei den Omas?“ Theo seufzte. Er war seit der Demo gegen die Pershings im Bonner Hofgarten 81 verliebt in Helene und hatte immer wieder vergeblich versucht, bei ihr zu landen. „Ja, worauf warten wir dann noch? Auf geht’s!“
„Vergiss es“, hörten wir eine Stimme von hinten. Es war Rudi, der Blödmann, der jetzt auch von der Demo kam. „Ich hab gerade mit ihnen gesprochen. Sie nehmen keine Opas.“ – „Keine Opas?“, stotterte Theo. Rudi nickte. „Sie haben keinen Bock auf diesen Männerscheiß und wollen unter sich sein.“ – „Also doch Bier trinken gegen rechts“, kicherte Raimund: „Können wir sowieso am besten!“ Und Petris verfügte sich zum Fass.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland