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Die WahrheitKäsehure in Betaversion

Der Winter zieht sich krankheitsbedingt dahin. Da kann man ruhig auf dem Sofa die Rolle der Künstlichen Intelligenz übernehmen und Fragen beantworten.

F ebruar ist Krankheitsmonat. Die guten, das Immunsystem stärkenden Marzipankugeln sind aufgebraucht, die Sekt-Energie von Silvester ist in einem allerletzten Rülpser verpufft. Den Januar verbringe ich noch in einer winterschlafähnlichen Trance auf dem Sofa, während eine Betaversion von mir ins Büro schlappt, KI-gesteuert. Auf Fragen antwortet die künstliche Intelligenz mit besserer Kommasetzung als ich. Wie gemein! Da übernehme ich ihre Rolle lieber selbst.“

„Soll ich heute aufstehen?“

„Aufstehen ist eine alte Kulturtechnik, die im Kapitalismus perfektioniert wurde. Sie hält die Wirtschaft am Laufen, ist jedoch im Einzelfall nicht immer angeraten. Viele Menschen schätzen das Aufstehen als ein willkommenes Ritual für den Tagesbeginn, andere wiederum spüren manchmal einen leichten Unwillen, wenn der Wecker klingelt, insbesondere in der dunklen Jahreszeit. Du solltest jeden Tag als großartige Chance ansehen, etwas Tolles zu erleben.“

„Etwas Tolles? Im Büro?“

„Das Büro ist ein Ort, der von vielen Menschen als willkommene Gelegenheit –“

Danke. Mehr muss ich nicht wissen. Chat-GPT kann schneller dichten als ich und kennt mehr Käsesorten, aber das Gedicht über Käse, was am Ende dabei herauskommt, ist nur so mittel. Aber positiv! Viele Menschen mögen nämlich Käse und sehen ihn als willkommene Chance. Wofür? Egal.

Eigentlich sollte ich mich freuen, dass noch irgendwer im Netz etwas Positives verbreitet, wenn es auch nur lausiger Quatsch ist, der mich laut Algorithmus glücklich stimmt. Dieses Twitter, dessen neuen, überkomplexen Namen ich mir aus Trotz nicht merke, nutzt dagegen einen Algorithmus, der mich nur unglücklich macht.

Russische Bots und durchgedrehte Terrorismusfetischisten gaukeln mir dort eine Welt vor, in der ich offenbar als letzter Mensch die Ukraine verteidigen will und nicht an den Friedenswillen der Hamas glaube. Eine Welt, in der Alice „Sie hassen dieses Land!“ Weidel angeblich brillante Bundestagsauftritte hat, während ich nur argumentbefreite Schimpftiraden höre. Debatten, die mit „Ich mag Bäume!“ beginnen und in drei Sekunden bei „Du links-grün versiffte Systemhure!“ angekommen sind.

Wer tut sich das freiwillig an? Da sehe ich lieber in alte Bücher. Aber mein Gewissen fordert mich auf, etwas zu unternehmen. Ich schaffe es zur Demo in die Landeshauptstadt, nur um wiederum kritische Stimmen zu vernehmen: Dass da nur selbstgefällige, unterkomplexe Gutmenschen herumlaufen.

Na ja, wir Sofabewohner können zur Not auch mal einstecken. Aber jetzt bin ich krank und mache einfach gar nichts mehr. Das habt ihr nun davon, ihr Russenknechte und ihr links-grün versifften, baumbesoffenen Käsehuren. Und die Sofaindustrie lacht sich mal wieder ins spätkapitalistische Fäustchen.

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Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
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