Die Wahrheit: Kein Bus am Sexshop
Neues aus Neuseeland: In der langweiligsten Stadt der Südhalbkugel werden Kiwi-Kinder künftig nicht länger unsittlichem Einfluss ausgesetzt.
D as neue Jahr macht Hoffnung, wo man sie nicht vermutet hätte. Dank unserer neuen konservativen Regierung wird überall der Rotstift angesetzt. Das Gesundheitssystem ist heruntergewirtschaftet, progressive Institutionen fürchten um ihre Förderung. Wie gut, dass zum Schutze der Jugend doch noch Geld ausgegeben wird, um Kiwi-Kinder vor unsittlichem Einfluss zu schützen. Und zwar mit Bauarbeitern statt Sozialarbeitern: Eine fragwürdige Bushaltestelle muss weichen.
Sie steht seit Urgedenken auf der Anglesea Street in Hamilton, der bescheidenen Shoppingmeile in einer der langweiligsten Kleinstädte der Südhalbkugel. Doch hinter der Haltestelle befindet sich auf 300 Quadratmetern ein kommerzielles Highlight: „Peaches & Cream“ (Pfirsiche & Sahne). Das ist kein Delikatessenladen, sondern ein Sexshop. Als er 2012 seine mit knallroten Sichtblenden geschützten Pforten öffnete, wurde er als größter Sex-Toy-Anbieter im Lande gefeiert.
Daneben befinden sich ein Elektrogeschäft und ein Musikladen. Gegenüber liegt der Busbahnhof und in der Nähe die Stadtverwaltung. Die kleine Bank der Bushaltestelle kann gerade mal drei Leute beherbergen. Teenager in Schuluniform hängen meist im Pulk drumherum und werfen dabei auch einen Blick in die Schaufenster. Bei „Peaches & Cream“ sahen sie in der Weihnachtszeit Schaufensterpuppen in roter Reizwäsche und Nikolausmützen. Und das ein oder andere Spielzeug für Erwachsene.
Zuviel des Bösen, entschied nach langem Hin und Her Hamiltons Stadtrat. Dort gingen immer wieder Beschwerden von besorgten Eltern ein, die befürchteten, dass ihre Kinder mit – so der Amtssprech – „sensiblen Gegenständen und Informationen“ konfrontiert würden. Da Kiwis praktisch veranlagt sind, lag die Lösung auf der Hand: Die jugendgefährdende Haltestelle muss um hundert Meter verlegt werden. Das wird im April geschehen und 700.000 Dollar kosten.
Nur zwei Beamte stimmten dagegen und beschuldigten die „durchgeknallte Linke“, die das Ganze angezettelt habe, des Geldrauswurfs. Immerhin hatte der Stadtrat zuletzt die Gebühren für die Steuerzahler um ein Viertel angehoben, um das Loch in der Kasse der Stadt zu füllen. Und, so argumentierten die Querulanten weiter, vielleicht gäbe es in sechs Monaten dort gar keinen Sexshop mehr, sondern eine Eisdiele. Wozu der ganze Aufstand?
Doch Ali Moke, Managerin von „Peaches & Cream“, ist happy mit der teuren Entscheidung. Regelmäßig schlägt sie sich mit erbosten Eltern herum. Jugendliche sprühen ihr Graffiti auf die Hauswand oder spucken und schlagen aufs Glas. Doch das größte Problem sind Ladendiebe.
„Mindestens einmal im Monat passt jemand den Bus ab, um direkt aus der Tür raus zu verschwinden“, klagt sie. In Zukunft müssen Diebe mit ihrer sexy Beute hundert Meter weiter sprinten. Hamilton könnte noch spannend werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!