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Die WahrheitLiebe geht durch die Leber

Gute Fachkräfte sind selten geworden in unserer Zeit. Was für ein Wunder, wenn dann noch eine Tresenfachfrau ihr Werk exzellent versteht.

F reund Till führt eine Fernbeziehung. Wenn seine Frau im Lande ist, dann werden die Jalousien heruntergelassen und soziale Kontakte auf ein Minimum reduziert. „Sie haben viel gespart, und glaub ja nicht, Geld“, meint Axel verständnisvoll.

Wenn sich die Liebenden nach einem verlängerten Wochenende wieder in ihren Alltag verabschieden, verspürt Till großen Durst und das Bedürfnis, von seinem Glück zu erzählen. Dann steht ein Kneipenbesuch an, um den Elektrolyt­haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Seine Freunde wechseln sich ab. „Letzte Woche hatte ich ihn“, empört sich Axel, „wir waren in Barnaby’s Blues Bar, seitdem habe ich so ein Seitenstechen. Du bist dran!“

Also gut, wir treffen uns in ebenjener Kaschemme, denn hier hat Till „einen Deckel bis Meppen“, wie er gern prahlt, und hier kennt man die spezifischen Getränkepräferenzen eines ausgepichten Kombinations­trinkers. „Till“, herzt ihn die freundliche Thekenkraft, wenn sie ihm die dritte Whiskey-Cola-Mische kredenzt, „ich glaube, es wird jetzt langsam mal Zeit für einen Ouzo.“ Der so liebevoll Angesprochene lehnt sich behaglich zurück, macht dieses Vorstandsvorsitzendengesicht, dem gerade die Rekordgewinne des letzten Quartals vorgelegt werden, und ächzt vor Glück. „Endlich normale Menschen!“

Die Frau ist wirklich ein Ausnahmetalent. Sie gibt sich der Wissenschaft vom Trunk mit einer grundgelehrten Ernsthaftigkeit hin, die man nur noch selten findet. Sie ist eben keine Politikstudentin im siebten Semester, die kein BAföG mehr bekommt und hier ein paar Stunden abreißt, um nicht unter der Brücke zu landen. Nein! Sie erzählt mit vor Glück blitzenden Schneidezähnen, sie habe ihren Sachbearbeiterjob bei der Stadt jetzt endlich geschmissen, um sich noch intensiver ihren Studien widmen zu können.

Die mithörende Einzel­säuferbelegschaft am Tresen jault Beifall. Nichts mögen sie weniger, als jeden Abend Wildfremden erklären zu müssen, was sie trinken. Diese Wirtschaftsweise hat das alles intus, kennt den Schluckrhythmus ihrer Patienten, antizipiert das nächste Pils, lange bevor sie es selbst wissen, und kann in ihren Stirnfalten lesen, wann es mit ­einem Sambuca gekontert werden muss. Muss!

An diesem Abend betreut sie besonders einen Jüngling vom Nebentisch, der uns bereits bei unserer Ankunft eindringlich gemustert hat. Der Typ schaut immer mal wieder nach dem Rechten, nicht mit aggressivem Mauljucken, er nimmt uns nur freundlich interessiert in Augenschein.

„Kennst du den?“ Till schüttelt den Kopf. „Als Privatdetektiv wäre er lausig“, gibt er zu bedenken. „Ein Schnitzel für den Spitzel“, fällt mir noch ein. Da muss unser Sonderbewacher mal um die Ecke. Er verrenkt sich extra den Hals, bevor er verschwindet, man könnte ja was verpassen. Seine Begleiterin lächelt beruhigend, als wir mit fragend hochgezogenen Augenbrauen eine Erklärung erbitten. „Er guckt gerne!“

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Frank Schäfer
Lebt als Schriftsteller in Braunschweig. Neben Romanen und Erzählungen erschienen diverse Sachbücher und Essaybände zur Literatur- und Kulturgeschichte. Zuletzt: Henry David Thoreau – Waldgänger und Rebell. Eine Biographie (Suhrkamp); Hühnergötter. Roman (Limbus); Notes on a Dirty Old Man (Zweitausendeins).
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