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Die WahrheitRichtige Lieder, falsche Lieder

Singen ist für Iren Leben. Dass ihnen dabei jemand über den Mund fährt, mögen Iren gar nicht. Besonders wenn sich Engländer erdreisten, es zu tun.

D ie Fußball-Weltmeisterschaft ist seit gestern vorbei. Die Irinnen haben den Titel nicht gewonnen. Sie landeten in ihrer Gruppe B mit nur einem Punkt auf dem letzten Platz und sind nach der Vorrunde ausgeschieden. Das tat der Freude keinen Abbruch, hatten sich Irlands Frauen doch zum ersten Mal für eine WM qualifiziert.

Manche fanden, die Spielerinnen hätten sich falsch gefreut. Nach ihrem 1:0-Sieg gegen Schottland in Glasgow, mit dem voriges Jahr die Qualifikation gesichert wurde, tanzten sie in der Kabine ausgelassen zu dem Lied „Celtic Symphony“ der Band Wolfe Tones und stimmten lauthals in den Refrain ein: „Ooh ah up the Ra.“ Dafür bekamen sie den geballten Zorn englischer Medien zu spüren, denn der Satz bedeutet: „Hoch die IRA.“ Die Fußballerinnen unterstützen die Irisch-Republikanische Armee, schäumten die Reporter. Merkwürdig, dass das bis dahin niemandem aufgefallen war! Als die Spielerinnen geboren wurden, gab es die IRA übrigens gar nicht mehr.

Der englische Sky-Sportmoderator Rob Wooton erklärte einer irischen Fußballerin in einem Interview dreist, dass das Team Nachhilfe in irischer Geschichte benötige. Wooton selbst könnte etwas Bildung vertragen. Als er live mit dem irischen Rugbyspieler Brian Carney sprach, musste der ihn darauf hinweisen, dass Irland seit gut 100 Jahren ein unabhängiges Land sei. Wooton sprach penetrant vom Team aus Großbritannien, obwohl es sich um ein gemischtes britisch-irisches Team handelte. Vielleicht könnte Sky ihn auf einen zehnjährigen Bildungsurlaub schicken?

Die irischen Fußballerinnen waren nicht die Ersten, über die man wegen der falschen Musik hergefallen ist. Es traf auch Jack Charlton, englischer Weltmeister von 1966 und später Trainer der irischen Nationalmannschaft. Er ließ im Mannschaftsbus stets „Seán South of Garryowen“ auflegen. Der IRA-Mann Seán South war bei einem Anschlag auf eine britische Kaserne 1957 ums Leben gekommen. In dem Beatles-Film „A Hard Day’s Night“ von 1964 singt Paul McCartneys irischer Opa das Lied auf dem Polizeirevier, nachdem er verhaftet worden war, weil er Fotos mit gefälschten Unterschriften der Beatles verkaufen wollte.

Mit Liedern muss man also vorsichtig sein. Bei der Hochzeitsfeier meiner Schwägerin spielte die Band „It’s A Long Way To Tipperary“, woraufhin mein Schwiegervater – ein ehemaliger IRA-Kämpfer – mit seinem Bierglas in der Hand aufsprang und die Musiker warnte: „Noch ein Ton von diesem Rekrutiersong der britischen Armee, und ihr bekommt eine Bierdusche.“ Die Band wechselte umgehend zu „A Nation Once Again“, ein Rebellenlied aus dem 19. Jahrhundert, dass 2002 bei einer weltweiten Online-Umfrage der BBC zum beliebtesten Lied der Welt gewählt wurde. Damals haben die Iren in aller Welt gut funktioniert. Als nächstes sollten sie sich Rob Wooton vorknöpfen.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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1 Kommentar

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  • Tänk U for this wunderbare, weit gestreute Hintergrundinformation