Die Wahrheit: Groß denken, müssen, machen
Flüssiges Gold in seiner reinsten Form: Der rasant erfolgreiche Autobahn-WC-Betreiber Sanifair ist auf durchgekacheltem Expansionskurs.
Alljährlich, besonders zur Urlaubssaison, sind sie auf den Autobahnen ein stetes Ärgernis für Inlandsreisende: WCs, die von der Firma Sanifair betrieben werden. Doch der Stapel Urinal-Bons im Portemonnaie dürfte zukünftig noch wachsen. Denn Deutschlands öffentlichster Entsorger und Scheißhausmonopolist bereitet den Börsengang vor und befindet sich auf einem aggressiven Expansionskurs. Den Satz „Haste mal ’nen Euro“ wird man in Zukunft vor noch viel mehr Toiletten hören.
„Wir mussten reagieren“, erklärt Rüdiger Vlotho, Chief of Manure Manager der Sanifair AG in der durchgekachelten Konzernzentrale in Bonn. „Die Coronajahre mit stark rückläufigem Verkehr auf Straße und Schiene haben gezeigt, dass wir uns mehr diversifizieren müssen, um eine dauerhaft hohe Rendite zu erwirtschaften.“ In der System-Entsorgungsbranche herrsche ein gnadenloser Ausscheidungswettbewerb. Vlotho wörtlich: „Wer nicht klotzt, wird runtergespült, so ist das. Wir hingegen denken groß, wir wollen groß, wir müssen groß.“
Klotzen kann Sanifair, auch weil mit dem Hedgefonds GoldenShit Capital LLC und der Trump Real Estate gerade zwei finanzkräftige Kapitalgeber gewonnen wurden. Doch die erwarten eine entsprechende Rendite: Der Geldfluss ist ein gelber Reibach. Oder wie der Wahlspruch der Firma, weiß auf blaugrün in einem riesigen Fliesenmosaik des Konzernfoyers geschrieben steht: „Incrementum per res fluidum“ – Wachstum durch liquide Mittel.
Ein internes Strategiepapier der rheinischen Fäkalökonomen verrät: In den Fokus werden sie sogenannte Points of high frequency defecation in „Unique pressing environments“ nehmen – Standorte also, an denen die Benutzung einer Sanifair-Anlage alternativlos ist, weil die einzige Alternative eine Yuccapalme in der Fensternische wäre.
So steht man in Verhandlungen mit zahlreichen Flughäfen zur Übernahme sämtlicher Sanitäranlagen außerhalb der Sicherheitszone. „Wobei der Ankunftsbereich noch interessanter wäre!“, träumt Urinprofi Vlotho. „Nach der Landung ist das für 97,5 Prozent aller Fluggäste der erste Weg.“ Einen weiteren AG-Coup plauderte Michael O’Leary per X-Twitter aus: „Holy hot shit, what a marvellous deal! German pissers of Sanifair will run all onboard lavatories of Ryanair fleet soon.“
Drehkreuze vor Flugzeugtoiletten
Rüdiger Vlotho bestätigt den Kontrakt und verrät erste Details: Da die Installation von automatischen Drehkreuzen vor Flugzeugtoiletten aus Platzgründen nicht möglich sei, würden jene mit QR-Code-Scannern ausgestattet. Sanifair-Passierscheine könne man bis Flugantritt auf der Ryanair-Website buchen oder beim Bordpersonal erwerben, dort allerdings „mit einem kleinen Dringlichkeitszuschlag von 100 Prozent“. Im Bordshop könne man auch die Wertbons einlösen oder bei der nächsten Flugbuchung investieren. „Aber natürlich nur ein Bon pro Destination.“
Doch auch am Boden will Sanifair sein Pinkelmonopol ausbauen und, Brancheninsidern zufolge, das Engagement bei der Deutschen Bahn deutlich ausweiten. „Das ist richtig“, bestätigt Anuschka Jelow, Sprecherin der Bahntochter DB Loo and Services. „Wir verhandeln mit Sanifair über den Betrieb von Toiletten nicht nur in mehr Bahnhöfen, sondern auch direkt im rollenden Betrieb.“
Derzeit liefen die Testfahrten mit dem neuen ICE L, bei dem erstmals ein Sanifair-Waggon zwischen der ersten und zweiten Wagenklasse mitfährt – vollelektronisches Drehkreuz und Fliesendesign in Grün und Blau inklusive. Die Wertbons könnten dann im BordBistro eingelöst werden, gesetzt den Fall, dass dieses gerade geöffnet, einsatzfähig und besetzt ist. „Aber keine Sorge: Sie profitieren auch sonst vom Sanifair-Erlebnis in der Deutschen Bahn“, verspricht Jelow. „Für jeden WC-Besuch erhalten Sie zwei BahnBonus-Punkte extra!“
Den größten Erfolg konnte Sanifair jedoch kürzlich beim Deutschen Städte- und Gemeindebund landen. In einer Rahmenvereinbarung wurde festgehalten, dass Sanifair bis zu 49,9 Prozent aller Toiletten in öffentlichen Gebäuden übernimmt, ausgenommen Schulen und Kitas. „Für Windeln aus der Krabbelgruppe oder den Schwangerschaftstest im Oberstufenklo sind wir echt nicht zuständig“, so Rüdiger Vlotho. Doch beim Besuch von Bürgeramt, Stadttheater, Kfz-Zulassungsstelle oder Gemeindebibliothek sollte man zukünftig immer einen Euro Kleingeld mitführen.
„Uns Kommunen rettet diese Private Public Partnership den Arsch“, erläutert Manja Hebestreit, Sprecherin des AK Individualentsorgungssicherheit beim Städte- und Gemeindebund und ehrenamtliche Bürgermeisterin in der niedersächsischen Pinkel-Metropole Uelzen. „Dann sind wir die Daseinsvorsorgescheiße endlich los!“
Die Wertbons könne man bei allen behördlichen Dienstleistungen einlösen: Führerschein, polizeiliches Führungszeugnis, Geburts- und Sterbeurkunde – lediglich eine Verrechnung mit Bußgeldern sei ausgeschlossen, und selbstverständlich dürfe auch nur ein Bon pro Verwaltungsakt eingelöst werden. „20 Sanifair-Bons ergeben einmal Falschparken, wo kämen wir da hin!“ Kritik am Geschäft kommt vom Verband der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, weil weiblich gelesene Personen zur Benutzung von Toiletten gezwungen wären, wohingegen Cis-Männer einfach ans nächste Gebüsch ausweichen könnten. Was sogar zum Umweltproblem werde!
Heckenschere gegen Wildpinkeln
Rüdiger Vlotho versteht die Aufregung nicht. Dem Problem des männlichen Wildpinkelns könne doch ganz einfach mit einer Heckenschere begegnet werden, „also beim Gebüsch“. Zudem sei Sanifair in puncto Gleichstellung aufgeschlossen und biete für interessierte Kommunen auch genderneutrale Bauformen seiner Systembedürfnisanstalten an. „Aber das hat halt seinen Preis!“
Kritisch äußert sich auch der Bundesverband der Blasenschwachen (BVB). „Wir sehen in Sanifair eine systemische Benachteiligung von Inkontinenzbetroffenen und Pennälerblasen-tragenden“, erläutert uns Mario Bach im Gespräch und entschuldigt sich, um einmal kurz auszutreten. „Freipissen ist Menschenrecht!“, kehrt er mit erhobener und frisch gewaschener Faust zurück. Mindestens müsse es einen staatlichen Ausgleich für Betroffene geben. „Einen Vielpisserausgleich bei der Einkommenssteuer oder die Ausgabe von Bundespinkelbons.“ Eine Forderung, der sich sogar der Bund deutscher Bierbrauer anschließt. Deren Sprecher, Alois Schinkel, lallt uns zu: „Wera viel Bier drinkt, muss au viel pissn.“
„Wie verlogen ist das denn!?“, echauffiert sich Rüdiger Vlotho und enthüllt, dass die Deutsche Brau und Brunnen schon längst Sanifair-Aktien gezeichnet habe. Es ist ein Geben und Nehmen im Geschäft mit liquiden Mitteln.
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