piwik no script img

Die WahrheitSnooker mit Wumms

Wer ist schon ein Fan des nicht gerade aufregenden Billardsports? Ausgerechnet der Liebste! Was tun? Zu den German Masters reisen …

D er Liebste ist ein tiefenentspannter Mensch, im Gegensatz zu mir. Ich führe das auf seinen Snooker-Konsum zurück: Er liegt entspannt auf dem Sofa und sieht im Fernsehen Männern beim Kugelnschieben auf einem Riesen-Billardtisch zu, während ich neben dem Sofa auf und ab hüpfe und frage, ob wir nicht was Vernünftiges gucken oder gar tun könnten.

Man sieht, ich habe einfach keine Ahnung, und das wollte ich ändern. Deswegen habe ich den Mann nach Berlin zur Snooker-German-Masters gelockt. Angeblich war es ein Geschenk für ihn, aber in Wahrheit wollte ich endlich zu einem anderen Menschen werden.

Allerdings mussten wir uns als Erstes furchtbar beeilen. Im Hotelfahrstuhl bekam der Liebste dann einen roten Kopf und fing an zu stammeln. Da wir schon eine Weile verheiratet sind, konnte es nicht an mir liegen. Es hatte sich ein kleiner Mann zwischen uns gedrängelt.

„Das ist einer der Top 16!“, stöhnte mein Mann in der Hotellobby. „Hätte ich doch bloß was Vernünftiges gesagt!“

Hungrig waren wir und etwas angespannt, aber vor dem Viertelfinale reichte die Zeit nur für einen Imbiss. Der Dönerstand im U-Bahnhof Möckernbrücke ist bestimmt sehr authentisch, jedenfalls werde ich das in meiner Provinz so erzählen.

Im Tempodrom gab es dann einen Knopf ins Ohr, auf dem der berühmte Snooker-Kommentator Rolf Kalb, wegen seiner boomercringigen Twitter­leidenschaft auch Rolf Unterstrich genannt, mich über alles Wichtige informierte. „Pink braucht er noch! Jetzt braucht er Snooker! Ach, die hat er zu dünn getroffen. Da hilft nur noch ein Stoßgebet.“

Währenddessen klackerten beruhigend die Kugeln, und ich wünschte mir, dass Rolf Unterstrich künftig auch mein Leben kommentiere, denn dann wäre es besser: „Eine Stunde Schlaf braucht sie noch! Ach, das mit dem Frühstück hat sie gut gemacht. Da hat sie ihrem Gegner eine Aufgabe gestellt. Jetzt braucht der Liebste Snooker!“

Niemand braucht Snooker, entgegne ich dann wie immer, aber von den Live-Spielen war ich doch gefangen und freute mich auf beide Halbfinale. Vorher trafen wir in der Hotelbar auf einen der Spieler, dem wir mit aller Geistesgegenwart nur leicht verspannt „Good luck!“ zustotterten, worauf er mehreres in einem uns unbekannten englischen Dialekt entgegnete. Immerhin klang es nicht direkt wie „Fuck off, you old Nazis!“, aber wir waren uns nicht einig, ob er seine Ansprache an uns mit „See ya!“ oder „Cheers!“ beendet hatte, was beides irgendwie Sinn ergeben hätte. Auf jeden Fall brauchte ich daraufhin dringend Snooker.

Zwischen den Halbfinalen reichte die Zeit dann wieder nur noch für einen Döner, und ich begann, den U-Bahnhof Möckernbrücke richtig lieb zu gewinnen. Am Ende schafften es Fahrstuhlmann und Barbekanntschaft ins Finale. Das lag bestimmt an den tiefenentspannten Vibrations, die der Liebste und ich durch Hotel und Arena geschossen hatten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Susanne Fischer
Autorin
Susanne Fischer schreibt Romane und Kinderbücher und arbeitet als Geschäftsführender Vorstand der Arno Schmidt Stiftung und des Deutschen Literaturfonds e.V., letzteres ehrenamtlich. (FOTO: THOMAS MÜLLER)
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Au Backe. Da muss ich jetzt durch.

    Nach der Schulzeit - mit Kicker mit pfeilschnellen Klotschis auf Drahtglasboden in anrüchigen Etablissements - selbst in der Königstraße!



    Gegen die Sozialis - hatten die den Ball - war er drin!



    Null Chance •



    Traf ich in Marburg in einem Verbindungshaus!



    Schlagende Mitschüler - auf solch grünbespannte Monstertische!

    kurz - Selber nicht untalentiert - Spielen! Doch das hat was! But.



    Jetzt kommt’s => a 📺?? Gah mi af gah mi los!



    Denn. War insbesondere nächtliches Glotzen! Gelle.



    Klassischer Parameter für ne mittlere bis schwere Depression •



    (Klar - Dart-Glotzen führte zur direkten Selbsteinweisung!;(



    Denke: Sone milde Gestalt-Therapie - Ortswechsel!



    Hilft auf Dauer ebenso wenig wie Rumhüpfen! Wollnich.

    unterm—— entre nous & Trost —-



    Ok Ok - relata refero! - Echt hartcore ist - wenn du als Fischspezialist bei den Nachbarskindern klingelst - und fragst was du mit dem Teil denn sollst!



    Und die nicht recht wissen - ob der alte Spaßvogel sie nur vereinern will?!



    Oder sie fragst - wie denn dieser Tetrapack zu öffnen geht!)



    Aber das ist nochmal ne ganz andere Kategorie! Woll.