Die Wahrheit: Die Schampuskrise
Lebenslänglich Bayer: Das Lieblingsgetränk des unvergessenen Franz Josef Strauß ist das eigentliche Bier der Bajuwaren.
F rüher, als die Zeit noch alt und gut war, wusste ein jeder und eine jede noch, wofür das C steht in CSU. Es steht natürlich für Champagner. Keiner hat so viel davon trinken können wie der unsterbliche Franz Josef Strauß, von dem es heißt, er habe sich in seine steinernen Masskrüge kein Bier, sondern Champagner gießen lassen – auf dem Oktoberfest oder beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Ob es wirklich stimmt, wird kaum einer beweisen können, aber es ist so oft erzählt worden, dass man es einfach glauben mag. Und außerdem: Er war eben etwas Besonderes, der Strauß.
Im Gegensatz zu einem seiner Nachfolger. Edmund Stoiber, dieser so gar nicht barocke Bayernbürokrat, soll mehr oder weniger verlässlichen Gerüchten zufolge Salbeitee in dem Masskrug gehabt haben, mit dem er der Menge in der Nibelungenhalle zu Passau zugeprostet hat. Aber das ist wie Stoiber selbst nur eine Fußnote in der bayerischen Geschichte, und so würde es niemand glauben, wenn da jemand behaupten würde, das S in CSU stehe für Salbeitee.
In der Landeshauptstadt München jedenfalls weiß jeder, dass Champagner das eigentliche Bier der Bayern ist. Und dass man sich hochtrinken muss in die Champagner-Hautevolee. Klein muss man anfangen beim Steh-Italiener, den man mit Vornamen zu kennen hat: „Du, Giovanni, gibst mir noch einen Prosecco?“ Da muss man durch. Und erst wer beim Käfer droben in Bogenhausen oder in dem Schumann seiner Bar ungefragt ein Glas Champagner serviert bekommt, kaum hat er sich gesetzt, wird von sich sagen können, dass er ein echter Münchner ist.
Solche haben es oft leicht, weil sie mehr haben als sie brauchen. Aber wenn es ihnen einmal weniger gut geht, dann findet sich nur wenig Mitgefühl in der kalten Münchner Gesellschaft, deren Bussis so frostig sind, dass man glatt den Klimawandel damit aufhalten könnte.
Dass die Münchner Champagner-Schickeria schon jetzt zu den von Russlands Krieg gegen die Ukraine am stärksten betroffenen Personengruppen in Deutschland gehört, hat kaum jemand mitbekommen. Auf dem Oktoberfest, der größten Champagnerparty des Landes droht eine echte Versorgungskrise. Wiesnwirt Stephan Kuffler berichtet vom leergefegten Markt. Vor allem die großen Champagnerflaschen sind kaum noch zu kriegen. Keine Methusalem, wie Kenner die Sechsliterflasche nennen, keine Salmanazar für neun Liter und schon gar keine Nebukadnezar für 15 Liter. Die Glasfabriken aus der Ukraine liefern einfach nicht mehr. Armes München.
Manch einer fühlt sich erinnert an die Rolex-Krise in der Stadt. Ende 2019 war so gut wie keine dieser edlen Uhren mehr in der Stadt aufzutreiben. Alles ausverkauft! Die Menschen wussten nun nicht mehr, wie sie ihr Vermögen vor den Negativzinsen in Sicherheit bringen sollten. Die Bilder leerer Schaufenster der Rolex-Händler haben sich fest eingebrannt ins Gedächtnis der Stadt. Und nun das! Es ist ein Elend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt