Die Wahrheit: Systematisch finster

Lebenslänglich Bayer: Seit dem Mittelalter hat sich das „Regensburger System“ entwickelt. Ein Korruptionsbrückenbauwerk vom Feinsten.

Heinrich der Stolze war ein eigensinniger Mann. So ist es den Quellen zu entnehmen, die das Leben dieses Herzogs von Bayern beleuchten. Zwei seiner Hinterlassenschaften haben es im Gegensatz zu ihm selbst zu anhaltendem Ruhm gebracht. Da ist zum einen sein Sohn Heinrich, dem man den Beinamen „der Löwe“ gegeben hat und der wohl eine der schillerndsten Figuren des gesamten Mittelalters war. Und da ist die Steinerne Brücke zu Regensburg, deren Bau in einem trockenen Sommer des Jahres 1135 begonnen wurde. Als Weltwunder des Mittelalters wird das Bauwerk, das die reiche Kaufmannschaft Regensburgs verwirklicht haben soll, bisweilen bezeichnet.

In den Aufzeichnungen des Chronisten jener Zeit, des Bischofs Otto von Freising, findet sich kein Beleg, ob das Gemauschel, das heute als „Regensburger System“ bekannt ist, schon im Mittelalter zum Alltag im Baugewerbe der Stadt gehörte. Aber wenn dem Zisterziensermönch das System von Geben und Nehmen zwischen Politik und Bauunternehmen übel aufgestoßen wäre, er hätte es gewiss vermerkt. Schließlich ließ dieser Propagandist der Staufer nichts unversucht, das konkurrierende Haus der Welfen, zu denen die herzoglichen Heinriche gehörten, in schlechtem Licht dastehen zu lassen.

Vielleicht fand Chronist Otto es damals keiner besonderen Erwähnung wert, was die Protagonisten des „Regensburger Systems“ schließlich bis heute für normal halten. Das haben lokale Größen der CSU ebenso vorgeführt wie der ehemalige Regensburger SPD-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs, der nun für einen Wahlverein, der sich „Brücke“ nennt, im Stadtrat sitzt.

Da spenden Bauunternehmen, die bei den großen städtischen Aufträgen sonst leer ausgehen würden, an die Parteien – direkt, über Strohmänner oder indem sie fingierte Rechnungen begleichen. Dass das nicht rechtens ist, haben schon mehrere Gerichte festgestellt.

Jüngst bestätigte der Bundes­gerichtshof ein Urteil gegen den Regensburger CSU-Landtagsabgeordneten Franz Rieger. Der war wegen Erpressung zu einer Geldstrafe von 120.000 Euro verurteilt worden. Dabei hat er gewiss nichts gemacht, was andere nicht schon vor ihm gemacht hatten. Er hat ­einen Bauunternehmer um eine 50.000-Euro-Spende gebeten, die der doch sicher gern zahlen würde, weil klar sei, dass die CSU Einfluss auf Baugenehmigungen nehmen könne. Die CSU-Fraktion hat er nun verlassen. Im Landtag will er bleiben. Logisch, das Geld für die Strafe muss er ja schließlich irgendwo verdienen.

Im Bayerischen Landtag gibt es derweil eine Strafbank für gefallene CSUler. Parteiurgestein und Coronamasken-Vertreter Alfred Sauter, der seinen Töchtern eine Millionenprovision zugeschanzt haben soll, betritt die Fraktionsräume der CSU nicht mehr, Mitglied des Landtags ist er aber immer noch. Ob das Mittelalter auch so finster war?

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kari

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