Die Wahrheit: Satanischer Gabelverbieger
Das Fernsehprogramm der Flimmerkistenzeit war schon dämonisch genug. Wenn dann noch TV-Spiritismus auf Religion traf, war Höllenpein garantiert.
V or gut einer Woche fiel mir eine der gruseligsten Episoden meiner Kindheit wieder ein. Am 20. Dezember feierte nämlich ein Mann seinen 75. Geburtstag – auch die taz berichtete –, der dafür verantwortlich ist, dass ich, würde ich zwecks Aufklärung eines „Cold Case“ nach meinem Alibi für die Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1974 gefragt, wie aus der Pistole geschossen antworten könnte: Ja, ich weiß, was ich da gemacht habe. Ich stand quasi senkrecht im Bett, panisch, und habe leise vor mich hin gebetet.
Am Abend des 17. Januar 1974 hatte ich mal wieder die Zeugen-Jehovas-Versammlung geschwänzt. Ich wollte unbedingt „Drei mal neun“ schauen, nicht etwa wegen des fassfigurigen Moderationsandroiden Wim Thoelke, sondern wegen des eigentlichen Stars der Sendung: Loriots Zeichentrickhund Wum. Ich täuschte leichten Magendarm vor.
Meine Mutter verließ das Haus, ich kippte den Kamillentee ins Klo, machte mir Kalbsleberwurst-Schnittchen und schaltete gut gelaunt den Loe-we Opta ein.
Alles ging gut, bis Uri Geller auftrat. Bevor ich verstand, was da vor sich ging, begann Geller, – „nur mit seiner Geisteskraft“ – live Gabeln zu verbiegen. Ohne sichtbaren Druck, ohne Kraftaufwand. Mir wurde mulmig. Als er dann auch noch eine tote Uhr zum Ticken brachte und das Publikum aufforderte, selbst defekte Uhren zu Reparaturzwecken vor die TV-Geräte zu halten, wusste ich plötzlich, womit ich es zu tun hatte: Dämonen! Ich hatte den Teufel über die Fernsehantenne in unsere Wohnung gelassen.
Denn das hatte ich aus dem Wachtturm gelernt: Übersinnliches, Zauberei, Spiritismus etc. sind nicht einfach nur alberne Behumserei – bei solchen Praktiken stellte Satan seinen Pferdefuß in die Tür.
Als in der Sendung dann die Regie meldete, Zuschauer hätten angerufen und bestätigt, auch bei ihnen zu Hause hätten sich Gabeln verbogen, rannte ich in die Küche. Langsam öffnete ich die Besteckschublade. Ich rechnete mit allem, nicht nur mit deformiertem Besteck, sondern zum Beispiel auch mit herausflatternden Fledermäusen oder Verwesungsgeruch …
Kaum beruhigt schloss ich die Schublade wieder und verbarrikadierte mich im Badezimmer. Als meine Mutter nach Hause kam, sagte ich nichts. Weil ich sonst meinen heimlichen Fernsehkonsum hätte zugeben müssen. Ich gab vor, mein Magendarm hätte sich verschlimmert.
Wie lange meine Schlafstörungen anhielten, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich, in den nächsten Tagen diverse zusätzliche Gebete und Predigtdienststunden abgeleistet zu haben, um mir wieder Jehovas vollen Schutz zu sichern. Wie man das bei Schutzgelderpressern eben so macht. Es funktionierte. Satan ließ mich in Ruhe.
Als ich jetzt las, dass Uri Geller 1993 von einer Frau verklagt worden sei, weil er durch den Fernseher ihre Spirale verbogen habe und sie dadurch schwanger geworden sei, dachte ich: Noch mal Schwein gehabt.
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