Die Wahrheit: Ferien im Eiermobil
Wer sich als König der Ökohelden geriert, kriegt zuverlässig Schwierigkeiten mit der Jugend, wenn er in einem Hanomag Marke Diesel gen Urlaub tuckert.
S chöne Ferien! Macht’s gut! Und bleibt ruhig länger, wenn ihr mögt!“, rief Raimund und winkte einer Familie in einem vollbepackten Kombi hinterher. Er schloss die Augen und brummte vor Behagen, denn er genoss es, nach dem endlosen Lockdown wieder vor der Bäckerei Brüser in der Sonne zu sitzen und Kaffee zu trinken.
„Kanntest du die?“, fragte Luis. „Nö“, sagte Raimund. „Jeder, der wegfährt, ist ein Gewinn.“ Er freute sich immer, wenn die Sommerferien begannen und die Leute in Scharen die Stadt verließen, doch dieses Jahr war er besonders entzückt: Endlich machten sich alle Nervbacken und potenziellen Virenschleudern vom Acker, die ihm monatelang auf den Zeiger gegangen waren, weil sie ihre Masken unterm Kinn trugen oder sich im Supermarkt viel zu nahe an ihm vorbeigedrängelt hatten. Endlich überließen sie uns eine leere, entspannte Stadt.
„Fürs Klima wär’s besser, wenn die Leute zu Hause blieben“, meinte Luis. „Ach, was!“, sagte Raimund: „Angeblich hat die Seuche den Leuten doch gezeigt, dass sie nicht mehr weitermachen können wie bisher: Sie fliegen nicht mehr nach Teneriffa, sondern rollen Schlafsack und Isomatte zusammen und fahren ans Steinhuder Meer!“ – „Wo sie ihr Zelt neben hundert anderen aufbauen. Den Steinhuder Fischen wird das nicht gefallen.“ – „Dafür überleben die Eisbären. Einer muss immer die Zeche zahlen.“
Irgendwo knallte es ein paar Mal. Wir kuckten uns fragend an und zuckten mit den Schultern. „Sogar Theo geht dieses Jahr campen.“ – „Theo?!“ – „Er kommt gleich vorbei und bringt mir die Schlüssel zu seiner Wohnung, damit ich die Blumen gießen kann.“ – „Theo geht campen … ich glaub’s nicht.“ Luis war platt.
„Es kommt noch besser, pass auf: Er ist nämlich der König aller Ökohelden, weil er nicht mal was Neues gekauft hat, sondern das alte Wohnmobil seiner Eltern wieder flottgemacht hat. Theo sagt, das ist das nachhaltigste Teil, das jemals auf einem Campingplatz gestanden hat.“ – „So?“ – „Ja. Es besteht aus einem alten Hanomag Pick-up und einem Aufbau, den Theos Eltern in den Sechzigern in monatelanger Arbeit aus alten Eierkartons selber zusammengeleimt haben. Theo sagt, seine Eltern seien damit 1969 bis nach Nepal gegurkt.“
Es knallte erneut. An der Einmündung der Hölderlinstraße sahen wir einen Pulk junger Menschen, die irgendwas skandierten und Transparente hochhielten. „Eine Demo?“, sagte Raimund. „Das sind die Friday-for-future-Kids“, grinste Luis, „und die Rostlaube hinter ihnen ist vermutlich …“ – „… das Eiermobil“, hauchte Raimund.
Es knallte wieder und hinter dem Eiermobil stieg eine rußschwarze Wolke auf. „Hanomag Marke Diesel – der kernige Hauptstraßenduft der sechziger Jahre“, sagte Luis, und die Klimakids ließen sich vor dem König aller Ökohelden zu einer Sitzblockade nieder, weil sie wohl nicht der Meinung waren, dass die nachhaltige Eierkartonkonstruktion die rußschwarzen Abgase des Monstrums aufwog.
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