Die Wahrheit: Impfen vor acht
Sputnik V ist plötzlich in aller Munde oder wenigstens in allen Armen. Wer hätte das gedacht? Ein russischer Kampfstoff für die Deutschen!
J etzt wollen selbst die Bayern Sputnik V. Im Süden krempeln sie ihre Ärmel hoch und bereiten sich vor auf die russische Kraft in ihren strammen Venen. V, das weiß inzwischen jede und jeder in diesem Land, steht nicht für die römische Fünf, sondern für V wie Victory.
Sputnik wie bitte? Älteren mag noch der Sputnik-Schock in den Adern liegen, als ihnen der Russe Ende der Fünfziger eine Rakete nach der anderen um die Ohren jagte, bis die Amis endlich dank deutschem Know-how eine Vergeltungswaffe zum Mond schießen konnten, Wernher von Brauns upgedatete V2.
In Sputnik 2 saß mit Hündin Laika derweil der erste Erdling, dem ein Ausflug ins All vergönnt war. Laikas Ruhm war reichlich postum, sie starb bereits kurz nach dem Start an Stress und Hitze. Eine lebendige Heimkunft stand ohnehin nicht in der Jobbeschreibung.
Da ging es Belka und Strelka bedeutend besser. Die beiden Hündinnen wurden 1960 mit Sputnik 5 (ja, genau!) in die Erdumlaufbahn geschossen und kehrten nach 18 Runden wohlbehalten zurück. Strelka gebar später sechs Welpen, von denen es einer bis ins Weiße Haus brachte – als Geschenk Nikita Chruschtschows an John F. Kennedys Tochter Caroline.
Belka und Strelka. Das könnten auch zwei tschechische Marionetten aus den Sechzigern sein oder ein gewöhnungsbedürftiges Comedyduo aus Franken. Was an sich niemand braucht, wäre dieser Tage unsere Rettung. Was putzig Positives, das wir dem allgemeinen Impffiasko entgegensetzen könnten. Zugleich eine Antwort auf Laschet und Söder, die in keinem Tierheim Anschluss fänden.
Wird Zeit, dass hier jetzt fröhliche Musik einsetzt. Vorhang auf für: „Impfen vor acht“, direkt vor der „Tagesschau“: „Hallo Belka!“ – „Hallo Strelka! Hat dich heut schon was gepikst?“ – „Nein Belka! Ich bin bereits immun dank Sputnik V!“
Hätte man im Kalten Krieg auch nicht für möglich gehalten, dass wir Deutschen all unsere Hoffnung in einen russischen Kampfstoff, also ein Virenvernichtungsmittel setzen, während das britische Produkt aus dem Hause AstraZeneca bei bloßer Erwähnung des Namens Angst und Schrecken verbreitet. Dafür hat James Bond nicht Jahrzehnte lang ungestraft junge Frauen belästigt.
Selbstverständlich gibt es Vorbehalte gegen Sputnik V – virologische wie ideologische. Wer beim Dopingtest für Olympia trickst, könnte auch klinische Studien manipulieren. Gegen Skepsis helfen wohl nicht einmal Belka und Strelka. Wobei: Als Strelkas Tochter Pushinka von Kennedys Hund Charlie vier Welpen, also „Puppies“ bekam, soll der Präsident diesen Wurf „Pupniks“ genannt haben, amerikanische „Puppies“ und russische „Sputniks“ friedlich vereint.
Vielleicht könnte man so ja das britische Vakzin retten und das russische verträglicher machen, indem man beide zusammenkippt. Scheiß auf die Wirkung! Hauptsache, der Name passt! Astranik – das klingt fast schon nach einem unbesiegbar machenden Zaubertrank.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos