Die Wahrheit: Mit Weihrauch verqualmte Höhle
Jesus, die faule kleine Socke, kommt einfach nicht in die Pötte mit seiner Auferstehung zu Ostern. Ein erschütternder Jugendreport.
Gott walkte am Ostersonntag wütend seinen weißen Rauschebart, während er seine beachtlich wuchernde Braue sturmumwölkt in Falten zog und mit seinem glühenden Stirnauge düster umherblickte. Der Stammhalter machte wieder Ärger. Am dritten Tag nach seiner Kreuzigung fläzte der Lümmel immer noch faul auf seinem Totenbett herum, qualmte unablässig Weihrauch, philosophierte über den Urknall und hetzte sämtliche Engel und Erzengel herum, damit sie ihm irgendwo Naschwerk besorgten.
Der Messias dachte tatsächlich nicht im Traum daran, am dritten Tage wieder aufzuerstehen, wie es das himmlische Protokoll vorsah. Er vertrat rotzfrech die Meinung, sein scheußlicher Kreuzigungstod am vergangenen Freitag würde für die nächsten paar Jahrtausende einen exzessiven Müßiggang rechtfertigen. Auferstehung? Nein, danke!
Gott hatte es mit vernünftigen Argumenten versucht: „Hey, Sohn! Nur ein einziges Mal noch, zeig ein bisschen Gesicht, dann verehren die uns für immer und du kannst voll karacho in den Himmel auffahren und zu meiner Rechten sitzen.“ Nullo Erfolgo!
Gott versuchte es mit Drohungen: „Wenn du nicht auf der Stelle auferstehst, dann sperre ich dir für die kommenden Jahrhunderte sämtliche Ablasszahlungen, sobald sie erfunden werden! Und überhaupt! Lass dir mal die Haare schneiden.“
Jesus gewährte seinem Vater nur ein freches Grinsen. Er konnte sowieso alles herbeizaubern, was er nur haben wollte. Das hatte ihn bei den Menschen ja so beliebt gemacht.
Gott versuchte es mit zärtlicher Bestechung: „Mein kleiner Messi, du musst doch nur ganz kurz auferstehen, das tut doch nicht weh. Danach machen wir zusammen einen richtig schönen Vater-Sohn-Tag, und du kriegst den Frieden auf Erden, den du dir schon so lange wünschst. In Sonderlackierung und mit extra schön viel glänzendem Chrom.“
Der Heiland verdrehte die Augen. Der Vater kriegte tatsächlich gar nichts mehr mit. Für wie alt hielt der ihn eigentlich? Den schicken Weltfrieden hatte Jesus sich damals gewünscht, als er noch jung, naiv und anspruchslos war. Heute würde er sich damit bei seinen Kumpeln, den anderen Propheten und Wesenheiten, nur lächerlich machen. Zu Vaters Rechten sitzen … pah! Er war doch kein Baby mehr.
Beelzebub zu Besuch
Während Gott noch zürnte und sich fragte, wie sein Sohn nur so aus der himmlischen Spur geraten konnte, klopfte es. Ehe der Allmächtige auch nur „Zefix!“ rufen konnte, rollte der schwere Stein, der Jesu Grabhöhle verschloss, auch schon zur Seite und der stets etwas verrottet wirkende Beelzebub quetschte sich mit den kurzen, grußlosen Worten „Jesus da?“ an Gott vorbei und warf sich zu Jesus aufs Lager. Sofort begannen die beiden wie besessen, Schiffe versenken zu spielen. Gott seufzte. Das würde wieder ein berechtigtes Wehklagen der Menschen nach sich ziehen. Resignierend flog er zurück in den Himmel.
„Die Alten nerven, was?“, fragte Beelzebub mit übertriebenem Augenrollen und nahm mit sardonischem Lachen noch einen Zug aus der Weihrauchpfeife. „Lulli ist genauso, nur am Rumnörgeln. ‚Mach dies, lass das …‘ Echt nicht auszuhalten.“
„Lulli?“, fragte Jesus, nicht wirklich interessiert. „Ja, so nenne ich meinen Alten. Luzifer – Lulli! Wie nennst du deinen?“ Der Heiland antwortete unsicher: „Vater …“
Beelzebub wollte sich schier ausschütten vor Lachen: „Echt? Vater? Haha, Mann ey, du bist echt nicht cool, weißt du das? Vater …“
Doch der Messias beeilte sich zu versichern: „Nein, nein, ich hab mich versprochen, ich nenne ihn … Goooo … Gooott … Gottchen! Ich nenne ihn Gottchen!“
Beelzebub überlegte kurz, dann lachte er: „Gottchen ist gut, hähä, Gottchen! Klein-Gottchen, hähä!“ Er senkte verschwörerisch seine Stimme, strich seine Haare zur Seite und zeigte Jesus sein linkes Ohr. „Cool, was? Willst du sowas auch?“ Jesus fiel die göttliche Kinnlade runter …
Derweil kam es im Himmel beinahe zu einem gewaltigen Donnerwetter. Denn der Schöpfer des Himmels und der Erde machte dem Heiligen Geist schwere Vorwürfe: „Dein Sohn ist völlig verzogen, du hast ihn viel zu sehr verwöhnt. Wenn er so weitermacht, dann landet er noch in irgendeiner Sekte, er ist ja überhaupt nicht mehr zu beeinflussen. Aber du steckst ja wie immer den Kopf in den Sand.“
Wohlgefallen durch Wunder
Das wollte der Heilige Geist aber nicht auf sich sitzen lassen: „Ach, jetzt ist er plötzlich mein Sohn? Wenn er tolle Wunder vollbringt oder von allen angebetet wird, dann ist er dein stattlicher Filius, dein ganzer Stolz, an dem du deinen Wohlgefallen hast. Aber wenn irgendwas schiefläuft, dann will der feine Herr Gott damit mal wieder nichts zu tun haben, dann ist der Erlöser mein verzogener Sohn …“
Mit diesen wütenden Worten pfefferte der Heilige Geist seine Schürze in eine Wolkenecke und schwebte mit einem lautem „Huuuuhuuuuuuhuuuhuuuuu!“ hinunter zur Erde, um dem renitenten Sprössling mal ordentlich die Leviten zu lesen.
„Huuuuhuuuuuuhuuuhuuuuu!“, erscholl es noch einmal, als der schwere Grabstein abermals zur Seite gerollt wurde und der Heilige Geist mit wutverzerrtem, wenn auch leicht gespenstisch wirkendem Gesicht in die Kammer schwebte und als erstes den lamentierenden Beelezub beim Kragen packte und achtkantig hinausbeförderte: „Du gehst jetzt brav nach Hause und sagst dem Herrn Luzifer einen schönen Gruß.“
Schluchzend und schniefend trollte sich der der kleine Dämon. „Und nun zu dir, Bürschchen“, wandte sich der Heilige Geist jetzt an den Heiland – doch dann stutzte er. „Was hast du da am linken Ohr? Nein, nein, nicht wegdrehen – ist das etwa ein Piercing? Hab ich dir nicht Piercings verboten?“
Der Messias duckte sich und murmelte kleinlaut: „Das ist ein Wundmal. Das kommt von der Kreuzigung.“
Der Heilige Geist lachte zynisch. „Ein Wundmal von der Kreuzigung? Die haben dich doch nicht an den Ohren festgenagelt. Mach das sofort raus. Wasch dir die Füße, zieh ein sauberes Leichentuch an und zeig dich auferstanden den Menschen. Dann fährst du, ohne zu trödeln, in den Himmel auf, wir werden mit dem Abendessen nicht warten. Es gibt Lamm. Wenn du deine Auferstehung versemmelst, kannst du dich auf fünfzig Jahre Steinekloppen auf der Osterinsel freuen. Und jetzt los, husch, husch!“
Der Messias gab klein bei und tat wie ihm geheißen. Gegen den Heiligen Geist kam er einfach nicht an. Und so kam es, dass aus Jesus doch noch ein ganz patenter Bursche wurde. Zuweilen aber trifft er sich noch heimlich mit dem Beelzebub auf der Osterinsel und sie spielen Schiffe versenken oder tun noch viel, viel Schlimmeres …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr