Die Wahrheit: Atemlos durch die Milch
Wegen ihres Asthmas versuchte sich unsere Autorin an einem „Veganuary“. Zwei Wochen später knallte sie sich ein halbes Pfund Ziegenkäse in die Vene.
D ie Bundesregierung hat mir zwei Berechtigungsscheine für FFP2-Masken geschickt. Das wundert mich ein wenig, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass man in der offenbar irgendwo existenten Kartei der schwindsüchtigen, siechen bundesrepublikanischen Kameliendamen und -herren jetzt schon beim Buchstaben Z angekommen ist. Sind wir nur so wenige?! Oder hat man ausnahmsweise mal hinten angefangen?
Aber es ist auch tröstlich, dass Jens Spahn um mein Asthma weiß. Ich hatte den Januar über schon versucht, es selbst ein wenig einzudämmen – anstatt eines „dry january“ (total absurde Idee einer einmonatigen Alkoholabstinenz) hatte ich mir einen partiellen „veganuary“ verschrieben. Angeblich soll nämlich Milch das Keuchen verstärken, und zwar gar nicht wegen der vielen Kuhmägen mit ihrem ewigen Gepupse und dem damit verbundenen CO2-Anstieg, sondern aufgrund einer medizinisch nicht einwandfrei geklärten Verbindung zwischen Milchprodukten und Atemnot durch Lungenverschleimung.
Da meine kein bisschen esoterisch wirkende Allergologin diesen Vorschlag gemacht hatte, ließ ich mich darauf ein. Ab 1. Januar lagen auf meinen Frühstücksbroten die wildesten Dinge: „Veganer Käse“ in Form von weißen, feuchten Scheiben, die schmeckten und rochen wie verklemmte, rohe Kartoffeln; vegane „Streichs“, denen ich beim Schmieren ängstlich zumurmelte: „Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich“, und ihren zwiebeligen Geschmack ignorierte; und Wurst, die ich zum Frühstück eigentlich unanständig finde.
Noch schlimmer waren die Abende mit milchfreier Schokolade, dem Patisserie-Pendant zu alkoholfreiem Bier. Ich finde einfach keinen Grund, wieso man bittere Schokolade essen sollte. Vielleicht kann man die eine oder andere Herrentafel in einer Mousse au Chocolat verschwinden lassen, mit Sahne und Ei. Und falls sie abgelaufen sind, schenkt man sie den kindlichen Halloween-Trick-or-Treat-Schnorrern, die in diesem Jahr wieder kommen dürfen. Ansonsten sind sie überflüssig.
Schafsbrie direkt in die Vene, das knallt
Dennoch hielt ich die Challenge zwei Wochen durch – das getreidige Haferzeug im Kaffee entwickelte sogar einen eigenen Reiz, und ich dachte zudem an die stolze Aussage eines Espresso-Herstellers, er würde seinen Koffeinkick doch nicht mit Babynahrung verweichlichen. Eines Abends knickte ich jedoch ein wie eine Haferrispe vor dem Mähdrescher. Und injizierte mir ein halbes Pfund Ziegenkäse und einen kinderfaustgroßen Block Schafsbrie direkt in die Vene. Das High danach kannte ich nur aus der Beobachtung am Kottbusser Tor.
Bis meine Prio-Gruppe dran ist, werde ich dennoch zumindest auf Kuhmilch verzichten – sicher ist sicher, und auch die Umwelt atmet auf. Worüber ich aber nicht nachdenken möchte, ist, wie man eigentlich die Milch aus diesen süßen wollweißen Schwänli- und Bärli-Geißleins bekommt – ob das wirklich die tierfreundlichere Methode? Ihre Euter sind doch so klein.
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