Die Wahrheit: Das doppelte Kanzlerchen
Auf ihrem unterhaltsam unaufhaltbaren Weg zur Macht beschreiten die Grünen neue arbeitsteilige Wege. Mann, Frau, prima, wie das flutscht.

Geteilte Arbeit ist doppelte Arbeit. Das wissen leidgeprüft viele Menschen, allermeist sind es immer noch Frauen, die in Teilzeit rödeln. Alles, was sich nicht wegschafft in der kurzen Zeit, die einem im Heimarbeittunnel oder an der Büropflanze bezahlt wird: All das erledigt sich entweder in einer gratis Nachtschicht, gar nicht oder schlecht gelaunt in der Mittagspause am nächsten Tag.
Geteilte Arbeit kann aber auch toll sein! Dann nämlich, wenn man einen super Sparringspartner hat, so wie bei den Grünen. Deren Vorsitzende Annalena Baerbock, kurz Annalena, und Robert Habeck, kurz Robert, teilen sich bekanntlich ihren Vorsitzendenjob. Mann, Frau, ist das prima, wie das flutscht, außer Robert ist bei einem Thema blank und redet trotzdem darüber. Oder Annalena hat was Lustiges nicht kapiert. Ansonsten eigentlich alles „schnafte“ (so was ähnliches wie „dufte“) bei den Zweien. In jene Richtung jedenfalls geht die Erzählung der Grünenbundesgeschäftsstelle.
Und noch darüber hinaus, wie wir gestern einer digitaldruckfrischen Pressemitteilung der beiden Vorsitzenden entnehmen durften. „Wir machen es zu zweit“ ist dezent die Nachricht betitelt, die Sprengstoff birgt. „Wir machen es zu zweit.“: Was soll das heißen in Bezug auf Robert und Annalena? Zu zweit was? Dass die beiden zu zweit Grünenvorsitzende sind, weiß ja eh mittlerweile schon jede gelockdownte Schülerin, jedes Kitakind, das sicher sagen kann, dass es in der virtuellen Giraffengruppe ist und nicht im analogen Flohzirkus fürs Leben lernt.
„Wir machen es zu zweit“ – ein Satz, der nachhaltig perlt. Und der gewohnt flott grün in die durchwachsene Politzukunft blickt, aber auch auf die gewachsene Politzunft. Just dort verschieben Robert und Annalena, kurz nur noch „die beiden“ genannt, derzeit ganz dicke Organigrammbretter. Die beiden kommen denn auch prompt zur Sache in ihrer Pressemitteilung, gleich im zweiten Satz steht das völlig Neue: Die beiden können ihrer Ansicht nach beide Kanzler, und deshalb „werfen wir unsere Hüte als Teilzeitkanzler:innen zu jeweils gleichen Anteilen in den Ring für die Bundestagswahl im September“.
Zusammen in die Waschmaschine
Rumms! Die sozial-mediale Resonanz aber auch das männliche Aufzeigen bleiben natürlich nicht aus. Friedrich Merz, noch nicht FDP, bietet an, „den Kanzlerjob zu dritteln, ich stehe zur Verfügung“. Der Noch-CDU-Vorsitzende Armin Laschet twittert: „Bingo, Vizekanzler ist okay, endlich mehr Zeit für Aachen.“ Frankenkanzler Markus Söder spricht „von einer interessanten Ansage zu einem interessanten Zeitpunkt, zu der ich noch Nachvornegedachtes zum gegebenen Zeitpunkt sagen werde“.
Jetzt ist es also raus, Robert und Annalena wollen zusammen in die Waschmaschine, wie das Kanzleramt nahe des öden Hauptbahnhofs im bräsigen Berliner Eingeborenenjargon genannt wird. Wie gedenken die beiden ihr Politpensum zu wuppen, zu halbieren, ja zu tranchieren? Wie wollen sie es spielen, dies geteilte Kanzler:in sein? Was geht beim doppelten Kanzlerchen und das nicht nur bei Anne Will auf dem Distanzfauteuil?
Dass die geschliffene Pressemitteilungsprosa der beiden unzweifelhaft aus Roberts Schriftstellerfeder stammt, daran besteht kein Zweifel. Sätze wie Gold, das läuft, das weist nach vorn, ohne dass die Wählerschaft zur Kasse gebeten wird – weder moralisch, klimatisch, noch sonst wie. Kernsatz: „Doppelt gemoppelt hält besser – auch beim nachhaltigen Regieren!“ Das Ehegattensplitting soll unter den beiden abgeschafft werden, und in ein Kanzler:innensplitting überführt werden. Endlich mal eine sinnvolle Regierungsmaßnahme. Annalena kann uns das wenig später am Hörer nur bestätigen: „Grün ist das Doppelspiel. Wir schaffen das! Zu zweit. Robert? Robert?!“
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Vertreibung von Palästinensern
Amerikaner in Gaza
Schwarz-rote Sondierungen abgeschlossen
Union und SPD wollen gemeinsam regieren
Frau erzieht Mann
Mein bestmöglicher Mann